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8 Theorien als Strukturen I - Moodle 2

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122<br />

10.2 Feyerabends Argumentation wider den Methodenzwang<br />

Paul Feyerabend, ein Osterreicher, der den GroBteil seiner akademischen Laufbahn<br />

in Berkeley, Kalifomien, zugebracht und der sich intensiv mit Popper und<br />

Lakatos auseinandergesetzt hat, veroffentlichte 1975 ein Buch mit dem Titel<br />

„Against Method: Outline of an Anarchistic Theory of Knowledge" (dt. 1976:<br />

„Wider den Methodenzwang. Skizze einer anarchistischen Erkenntnistheorie"^^).<br />

In diesem Buch kritisierte er alle Ansatze der Wissenschaftstheorie, die der wissenschaftlichen<br />

Methode einen besonderen Status zuweisen, indem sie anfuhren,<br />

dass es keine vergleichbare Methode gebe. Tatsachlich behauptete er, dass Wissenschaft<br />

keinerlei Merkmale aufweise, die sie notwendigerweise anderen Erkenntnisformen<br />

txberlegen mache. Wenn es uberhaupt ein einziges unveranderliches<br />

Prinzip der wissenschaftlichen Methode gibt, so Feyerabends Uberzeugung, dann<br />

ist es das Prinzip „anything goes". Es gibt Passagen in Feyerabends Werk, sowohl<br />

im frtihen <strong>als</strong> auch im spaten, die herangezogen werden konnen, um den extrem<br />

anarchistischen Beitrag, der in Wider den Methodenzwang enthalten ist, deutlich<br />

zu machen. Dennoch erscheint es fiir unser Anliegen lehrreicher, uns uneingeschrankt<br />

an die anarchistische Wissenschaftstheorie zu halten, um zu sehen, was<br />

wir daraus lernen konnen. Auf alle Falle ist es die extreme Form der Position<br />

Feyerabends, die in der Literatur Aufinerksamkeit erregt hat und auf die Philosophen,<br />

nicht ohne Schwierigkeiten, zu kontern versuchten.<br />

Feyerabends Hauptargumentationslinie versucht, die von Philosophen vorgebrachten<br />

Charakterisierungen von Methoden und wissenschaftlichen Fortschritt<br />

infi*age zu stellen, indem er sie folgendermaBen auf ihrem eigenen Terrain herausfordert:<br />

Er zieht Beispiele ftir wissenschaftliche Veranderungen heran, die seine<br />

Widersacher - die Mehrzahl von Philosophen eingeschlossen - <strong>als</strong> klassische<br />

Falle wissenschaftlichen Fortschritts erachten, und zeigt, dass nach den historischen<br />

Gegebenheiten keine dieser Veranderungen mit den Wissenschaftstheorien,<br />

die diese Philosophen propagieren, ubereinstimmt. Dabei spielt es fur Feyerabends<br />

Argumentation keine Rolle, ob die betreffenden Episoden progressiv sind. Das<br />

wichtigste Beispiel Feyerabends bezieht sich auf die Fortschritte Galileis in der<br />

Physik und der Astronomic. Feyerabend argumentiert, dass ein Beitrag zu den<br />

Methoden der Wissenschaft und zum wissenschaftlichen Fortschritt nicht <strong>als</strong> solcher<br />

betrachtet werden kann, wenn er sich nicht auf Galileis Innovationen anwenden<br />

lasst. In der Darstellung der Position Feyerabends beziehe ich mich groBtenteils<br />

auf das Beispiel zu Galilei, in der Hauptsache weil es ausreicht, um seine<br />

Position zu illustrieren, aber auch, weil es auch ohne schwer verstandliche Fachtermini<br />

nachvollzogen werden kann.<br />

In Kapitel 1 dieses Buches zeichnen einige Zitate ein positivistisches oder<br />

induktivistisches Bild, nach dem Galileis Neuerungen dadurch erklart werden<br />

konnen, dass er sich auf beobachtbare Tatsachen bezog und seine <strong>Theorien</strong> so<br />

anlegte, dass sie diesen Tatsachen entsprachen. Der folgende Absatz aus Galileis<br />

^ ^ 1983 in der 3. Auflage unter dem Titel „Wider den Methodenzwang" (ohne den provokativen Untertitel)<br />

erschienen, die eine vom Autor teils gekurzte, teils erganzte, teils umgeschriebene Neuausgabe<br />

der 1. deutschen Ubersetzung von Hermann Vetter von 1976 darstellt. (Anm. d. Hrsg.)

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