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8 Theorien als Strukturen I - Moodle 2

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Wir mtissen <strong>als</strong>o annehmen, dass die Art der Bilder, die auf der Retina entstehen,<br />

relativ kultumnabhangig ist. Es zeigt sich wiedemm, dass die wahrgenommenen<br />

Eindrticke, die der Beobachter beim Sehen hat, nicht einzig und allein<br />

durch das Bild auf der Retina bestimmt werden. Auf diesem Punkt wies Hanson<br />

(1958) hin und belegte ihn mit einer Reihe weiterer uberzeugender Beispiele.<br />

Ein anderes Beispiel liefert ein Bilderratsel fiir Kinder, bei dem es darauf ankommt,<br />

die Zeichnung eines menschlichen Gesichts in dem Laubwerk eines Baumes<br />

zu entdecken. Zunachst ist der subjektive Eindruck, den eine Person gewinnt,<br />

wenn sie die Zeichnung betrachtet, der, dass es sich um einen Baum mit Stamm,<br />

Blattem und Asten handelt. Dies andert sich jedoch, sobald die Person das<br />

menschliche Gesicht entdeckt hat. Was zunachst fur Laubwerk und Telle der<br />

Zweige gehalten wurde, wird nun <strong>als</strong> menschliches Gesicht gesehen. Wiederum<br />

sieht man vor und nach der Auflosung des Bilderratsels denselben Gegenstand,<br />

und vermutlich verandert sich in dem Moment, in dem die Auflosung gefunden<br />

und das Bild entdeckt wird, auch nicht das Bild auf der Retina des Beobachters.<br />

Wenn das Bild zu einem spateren Zeitpunkt noch einmal betrachtet wird, dann<br />

kann ein Beobachter, der das Bilderratsel schon einmal gelost hat, das Gesicht<br />

mtihelos wieder erkennen. In diesem Beispiel ist einmal mehr das, was ein Beobachter<br />

sieht, durch sein Wissen und seine Erfahrung beeinflusst.<br />

Was, so konnte man fragen, haben diese angefiihrten Beispiele mit Wissenschaft<br />

zu tun? Will man diese Frage beantworten, so fallt es nicht schwer, Beispiele<br />

aus der wissenschaftlichen Praxis zu finden, die genau diesen Punkt veranschaulichen.<br />

Diese Beispiele machen deutlich, dass das, was Beobachter sehen,<br />

die subjektiven Wahrnehmungen, die sie machen, wenn sie einen Gegenstand oder<br />

einen Vorgang betrachten, nicht einzig und allein durch die Bilder auf der Retina<br />

bestimmt wird, sondern auch von der Erfahrung, dem Wissen und den Erwartungen<br />

des Betrachters abhangig ist. Zentral ist die unbestreitbare Tatsache, dass man<br />

im Bereich der Wissenschaft lemen muss, ein kompetenter Beobachter zu sein.<br />

Jeder, der gelernt hat, durch ein Mikroskop zu sehen, muss von dieser Tatsache<br />

nicht Uberzeugt werden. Wenn ein Anfanger durch ein Mikroskop auf ein vom<br />

Fachmann angefertigtes Praparat blickt, ist es selten, dass er die tatsachliche Zellstruktur<br />

erkennen kann, auch wenn der Fachmann diese Probleme nicht hat, wenn<br />

er durch eben dieses Mikroskop auf dasselbe Praparat blickt. In diesem Zusammenhang<br />

ist es wichtig festzustellen, dass Wissenschaftler keine groBen Schwierigkeiten<br />

hatten, unter angemessenen Umstanden eine Zellteilung zu beobachten,<br />

nachdem sie wussten, was sie beobachten sollten. Vor dieser Entdeckung blieben<br />

solche Zellteilungen unbeobachtet, obwohl wir heute wissen, dass sie in vielen der<br />

untersuchten Proben der Beobachtung zuganglich gewesen sind. In dem folgenden<br />

Abschnitt beschreibt Polanyi (1973, S. 101) die Veranderungen in den Beobachtungserfahrungen<br />

eines Medizinstudenten, wenn ihm beigebracht wird, wie er<br />

anhand eines Rontgenbildes eine Diagnose stellen kann:<br />

Man stelle sich einen Medizinstudenten vor, der eine Vorlesung<br />

besucht uber die Diagnose von Lungenkrankheiten mithilfe von<br />

Rontgenstrahlen. Er beobachtet in einem abgedunkelten Raum<br />

schattenhafte Spuren auf einem fluoreszierenden Schirm, der sich

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