8 Theorien als Strukturen I - Moodle 2
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Beobachtung eine sachliche Basis. Wenden wir uns zunachst dem Punkt zu, dass<br />
die Formuliemng von Beobachtungsaussagen das Wissen uber einen geeigneten<br />
konzeptuellen Rahmen voraussetzt. Hier sei angemerkt, dass die Verfiigbarkeit<br />
eines solchen Rahmens davon unterschieden werden muss, ob die Beobachtungsaussagen<br />
richtig Oder f<strong>als</strong>ch sind. Ein Blick in mein Physikbuch fordert zum Beispiel<br />
zwei Beobachtungsaussagen zutage: „Die kristalline Struktur von Diamanten<br />
weist eine Inversions-Raumsymmetrie auf und „In einem Kristall des Zinksulfids<br />
gibt es vier Molekule pro Elementarzelle". Ein gewisser Umfang von Wissen uber<br />
die Struktur von Kristallen und wie sie charakterisiert werden konnen ist notig, um<br />
solche Aussagen formuHeren und verstehen zu konnen. Aber auch, wenn man<br />
dieses Wissen nicht hat, ist es mogHch, ahnliche Aussagen mit denselben Begriffen<br />
zu formuHeren, Aussagen wie „Die kristalHne Struktur von Diamanten weist<br />
keine Inversionssymmetrie auf oder „In einem Kristall des Diamanten gibt es<br />
vier Atome pro Elementarzelle". All diese Aussagen Beobachtungsaussagen in<br />
dem Sinne, dass dann, wenn die geeigneten Beobachtungstechniken beherrscht<br />
werden, durch Beobachtung uberprtift werden kann, ob sie richtig oder f<strong>als</strong>ch sind.<br />
Ist dies geschehen, werden lediglich die Satze aus meinem Physikbuch bestatigt,<br />
wahrend die alternativen Formulierungen zurtickgewiesen werden. Das illustriert<br />
den Punkt, dass die Tatsache, dass Wissen notwendig ist, um bedeutsame Beobachtungsaussagen<br />
vorzunehmen, die Frage offen lasst, welche der so formulierten<br />
Aussagen auf Beobachtungen basieren und welche nicht. Folglich wird die Forderung,<br />
Wissen solle auf Tatsachen basieren, die durch Beobachtungen bestatigt<br />
sind, nicht dadurch infrage gestellt, dass anerkannt wird, dass die Formulierung<br />
von Aussagen, die solche Tatsachen beschreiben, theorieabhangig ist. Ein Problem<br />
entsteht erst, wenn an der Forderung festgehalten wird, die fiir Wissen relevanten<br />
Tatsachen mtissten dem Erwerb von Wissen vorausgehen.<br />
Die Forderung, Wissenschaft solle auf Tatsachen basieren, die durch Beobachtung<br />
gewonnen wurden, muss <strong>als</strong>o nicht angezweifelt werden, wenn anerkannt<br />
wird, dass die Suche nach und die Formulierung von solchen Tatsachen theorieabhangig<br />
ist. Wenn der Wahrheitsgehalt von Beobachtungsaussagen auf direktem<br />
Weg uber Beobachtung festgestellt werden kann, dann scheint es so, <strong>als</strong> konnten<br />
Beobachtungsaussagen eine bedeutsame, auf Tatsachen beruhende Basis fur wissenschaftliche<br />
Erkenntnis bilden - unabhangig davon, auf welchem Weg solche<br />
Beobachtungsaussagen formuliert wurden.<br />
1.6 Die Fehlbarkeit von Beobachtungsaussagen<br />
Auf der Suche nach einer Charakterisierung der Beobachtungsgrundlage von<br />
Wissenschaft haben wir einige Fortschritte gemacht. Alle Probleme sind jedoch<br />
nicht behoben. Im vorangegangenen Abschnitt hat unsere Analyse vorausgesetzt,<br />
dass der Wahrheitsgehalt einer Beobachtungsaussage auf unproblematische Art<br />
und Weise durch Beobachtungen belegt werden kann. Wir haben jedoch auch<br />
gesehen, wie Probleme dadurch entstehen konnen, dass verschiedene Beobachter<br />
nicht notwendigerweise die gleiche Wahrnehmung haben, wenn sie dasselbe<br />
sehen, was zu unterschiedlichen Auffassungen dariiber fuhren kann, was der be-<br />
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