Oder: Welchen Mehrwert hat die Mehrsprachig - IMIS - Universität ...
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<strong>Mehrsprachig</strong>keit und Fremdsprachenlernen<br />
Eine weitere Form mehrsprachiger Kompetenz wurde lange als Semilingualismus<br />
bezeichnet. Von <strong>die</strong>sem mittlerweile häufig kritisierten Begriff 30 wird<br />
dann gesprochen, wenn zwei- bzw. mehrsprachige Lerner über einen längeren<br />
Zeitraum hinweg und in Bezug auf das formelle, schriftsprachliche Register<br />
Defizite in all ihren Sprachen aufzeigen (vgl. Abb. 3). Es sei an <strong>die</strong>ser<br />
Stelle bemerkt, dass sich der Begriff ›defizitär‹ lediglich auf solche Sprachkompetenzen<br />
bezieht, <strong>die</strong> im schulischen/akademischen Kontext von den<br />
Lernenden erwartet werden.<br />
Wie alle Schreibanfänger kommen auch mehrsprachige Kinder mit einem<br />
singulären Wissen in <strong>die</strong> Schule, welches primär durch <strong>die</strong> alltägliche<br />
familiäre Kommunikation geprägt ist. <strong>Mehrsprachig</strong>e Kinder und Jugendliche<br />
können sich meist gut in all ihren Sprachen verständigen, im Kontext<br />
Schule sind nun aber verstärkt standardsprachliche Fähigkeiten gefordert,<br />
<strong>die</strong> von allen Kindern erst aufgebaut werden müssen. Eine solche Überführung<br />
von singulären in reguläre Wissensstrukturen 31 stellt dann eine besondere<br />
Herausforderung dar, wenn auf lexikalischer, syntaktischer und pragmatischer<br />
Ebene eine Familiensprache vorliegt, <strong>die</strong> Muster aus der Erst- und<br />
der Zweitsprache aufweist.<br />
Dass ein solches <strong>Mehrsprachig</strong>keitsprofil nun nicht unmittelbar mit<br />
Vorteilen für das weitere Fremdsprachenlernen verbunden ist, wissen wir<br />
spätestens seit Cummins 32 Interdependenz- und seiner Schwellenniveauhypothese.<br />
Diese besagen, dass Lerner zunächst über eine gewisse Kompetenz<br />
in ihren vorhandenen Sprachen verfügen müssen, um daraus überhaupt einen<br />
Nutzen für das weitere Sprachenlernen ziehen zu können, und insbesondere<br />
<strong>die</strong> Kompetenz in der Muttersprache dafür ausschlaggebend ist, wie<br />
erfolgreich man in seiner zweiten und allen weiteren Sprachen werden<br />
kann. 33<br />
Auch wenn <strong>die</strong> hier verwendete Bilingualismus-Kategorisierung deutliche<br />
Schwächen zeigt und deshalb mittlerweile häufig abgelehnt oder erweitert<br />
wird 34 – vor allem deshalb, weil sie <strong>die</strong> Sprachkompetenz der Mehrspra-<br />
30 Vgl. schon İnci Dirim, Var mi lan Marmelade?: türkisch-deutscher Sprachkontakt in<br />
einer Grundschulklasse, Münster 1998.<br />
31 Claudia Osburg, Begriffliches Wissen am Schulanfang. Schulalltag konstruktivistisch<br />
analysiert, Freiburg i.Br. 2002.<br />
32 Jim Cummins, Die Schwellenniveau- und <strong>die</strong> Interdependenz-Hypothese. Erklärungen<br />
zum Erfolg zweisprachiger Erziehung, in: James Swift, Bilinguale und multikulturelle<br />
Erziehung, Würzburg 1982, S. 34–42.<br />
33 Lasagabaster, The Threshold Hypothesis Applied to Three Languages in Contact at<br />
School; González, Learning a L2 in a Third Language Environment.<br />
34 Orfelia Garcia, Education, Multilingualism and Translanguaging in the 21st Century,<br />
in: Tove Skutnabb-Kangas u.a. (Hg.), Social Justice Through Multilingual Education,<br />
Bristol 2009, S. 140–158; Ingrid Gogolin/Ursula Neumann (Hg.), Streitfall Zweisprachigkeit<br />
– The Bilingualism Controversy, Wiesbaden 2009.<br />
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