Oder: Welchen Mehrwert hat die Mehrsprachig - IMIS - Universität ...
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Literalität im Arabischen in Aus- und Einwanderungskontexten<br />
Diese Praktiken der marokkanischen Frauen in einer konservativen islamischen<br />
Vereinigung widerlegen <strong>die</strong> Befürchtung, dass moderne Literalität<br />
für eine traditionelle religiöse Weltanschauung, in der das Lesen nicht <strong>die</strong><br />
Funktion von Entdecken neuer Informationen über neue Themen <strong>hat</strong>, sondern<br />
nur das Rezitieren vom Auswendiggelernten bedeutet, schädlich ist.<br />
Wie auch der Effekt der Schulbildung in Marokko, stärkt <strong>die</strong> Diasporaerfahrung<br />
in Deutschland das verstehende Lesen von Texten im Gegensatz zum<br />
bloßen Rezitieren, zumal <strong>die</strong> Notwendigkeit, religiöse Lehren zu erklären, in<br />
einer Diasporasituation, in der säkulare und andere religiöse Einstellungen<br />
omnipräsent sind, sogar noch zwingender ist.<br />
Im Folgenden werden nun drei Fallstu<strong>die</strong>n von Kindern vorgestellt, <strong>die</strong><br />
innerhalb des Moschee-Netzwerks untersucht wurden. Eine Entsprechung<br />
im deutsch-marokkanischen Sample haben zumindest auf der sozialen Ebene<br />
<strong>die</strong> marokkanischen Fälle von Farida, Houda und Aicha. Ein Fall, der mit der<br />
Mittelschicht-Familie von Leila in Berkane korrespon<strong>die</strong>rt, fehlt dagegen in<br />
<strong>die</strong>sem Teilsample aus Deutschland.<br />
6 Literale Praktiken marokkanischer Kinder in Deutschland:<br />
drei Fallstu<strong>die</strong>n<br />
6.1 Souad: unterschätzter Erwerb der Literalität im Deutschen<br />
Wir beobachteten <strong>die</strong> Zweitklässlerin Souad über zwei Jahre ihrer Schulkarriere<br />
hinweg. Sie kam in unsere Hausaufgabenbetreuung, als sich herausstellte,<br />
dass sie <strong>die</strong> zweite Klasse wiederholen muss. Dieser Umstand war nicht<br />
ihren mündlichen Deutschkenntnissen geschuldet, auf <strong>die</strong> Souad sehr stolz<br />
war und welche sie gut einzusetzen wusste, um ihren Willen bei anderen<br />
durchzusetzen. Sie unterhielt sich über alle Arten von Themen gern, einschließlich<br />
des unterschiedlichen Verhaltens von Deutschen und Marokkanern,<br />
Religion, Ehe, Sexualleben usw. Laut ihrem Bericht sprach sie zu Hause<br />
mit ihren Eltern Berberisch und mit ihren Geschwistern Deutsch. Da ihre<br />
Mutter arabischer Abstammung war, gab Souad an, auch etwas marokkanisches<br />
Arabisch zu kennen. Als sie dazu aufgefordert wurde, eine Bildergeschichte<br />
nachzuerzählen, war sie auch tatsächlich in der Lage, <strong>die</strong>s in drei<br />
Sprachen zu tun, eben auf Deutsch, auf Berberisch und auf Marokkanisch-<br />
Arabisch.<br />
Diese mündliche Kompetenz in drei Sprachen steht im starken Kontrast<br />
zu Souads schriftlichen Fähigkeiten. Abbildung 5 zeigt einen Auszug ihrer<br />
Nacherzählung der Bildergeschichte auf Deutsch. Auf den ersten Blick<br />
scheint sich <strong>die</strong>ser Text nicht von dem von Houda zu unterscheiden: als nicht<br />
lesbar. Bei näherem Hinsehen aber stellt man fest, dass er auf einer klaren<br />
Beziehung zwischen Lauten und Graphemen basiert – im Gegensatz zu<br />
Houdas arabischem Text. In der ersten Zeile können viele Wörter wie<br />
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