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Oder: Welchen Mehrwert hat die Mehrsprachig - IMIS - Universität ...

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Literalität im Arabischen in Aus- und Einwanderungskontexten<br />

bisch auf normative Weise, indem sie sie durch <strong>die</strong> klassische arabische Präposition<br />

{fi:} ersetzt. Ihr Text, in dem noch einige weitere solcher normativen<br />

Schreibungen vorkommen, kann deswegen als ein Kompromiss zwischen<br />

›wilden‹ und orthodoxen Schreibungen verstanden werden – ein Weg, verschiedene<br />

Werte zu integrieren. Dies entspricht recht genau Leilas Einstellungen<br />

über Religion und beruflicher Karriere, Französisch und klassischem<br />

Arabisch.<br />

4.3 Aicha: ein Weg zur Emanzipation?<br />

Aicha ist eine Sechstklässlerin in der al-Massira-Schule in Berkane, <strong>die</strong> in einem<br />

wohlhabenderen Viertel als Houdas Schule liegt. Der Vater ist Händler<br />

und <strong>hat</strong> geringe Schulbildung, <strong>die</strong> Mutter ist nur zwei Jahre zur Schule gegangen,<br />

weil <strong>die</strong> Schule zu weit vom Haus entfernt war. Rückblickend bedauert<br />

<strong>die</strong> Mutter das, und sie findet es auch für eine Frau besser, berufstätig<br />

zu sein.<br />

Da <strong>die</strong> Eltern Aicha beim Lernen nicht helfen können, lernt sie meistens<br />

allein; wenn sie etwas nicht versteht, geht sie zu ihrer gleichaltrigen Nachbarin,<br />

<strong>die</strong> auch in der 6. Klasse ist. In der Familie beten alle und lesen den Koran,<br />

sogar <strong>die</strong> Großmutter, <strong>die</strong> erst vor Kurzem in einer Moschee lesen gelernt<br />

<strong>hat</strong>. Die Mutter findet, dass religiöse Erziehung vor allem eine Aufgabe<br />

der Eltern ist. Aicha findet es nicht schwer, im Koran zu lesen, aber sie selbst<br />

betet nicht (vgl. Kapitel 3.1).<br />

Aichas Lieblingsfach und Lieblingssprache ist Französisch. Sie ist für<br />

sie nicht nur <strong>die</strong> schönste und <strong>die</strong> wichtigste Sprache, sondern auch <strong>die</strong>, von<br />

der sie sagt, dass sie sich in ihr am besten ausdrücken kann und sie am liebsten<br />

spricht. Sie war in der modernen Vorschule, und sie findet <strong>die</strong>se auch<br />

besser. In ihren Einstellungen zum Lernen stimmt sie mit Leila überein.<br />

Aicha verschriftet <strong>die</strong> Fabel in Hocharabisch. Nur im ersten Satz setzt<br />

sie mit drei Wörtern hadi waħed l-mərra »es war einmal« (Abb. 3, Textauszug<br />

1) in marokkanischem Arabisch ein, gibt aber <strong>die</strong>sen Versuch sofort wieder<br />

auf, klammert <strong>die</strong> Wörter und ersetzt sie durch das hocharabische Gegenstück<br />

ðaːt-a jaum-in (Abb. 3, Textauszug 2). Der Text bricht nach sechs Zeilen<br />

ab, <strong>die</strong> Fabel wird also nicht vollständig erzählt. Der hocharabische Text<br />

weist eine Reihe von Unsicherheiten auf, an einigen Stellen kommt es auch<br />

zum Wechsel ins marokkanische Arabisch, wie z.B. in Zeile 4 (Abb. 3, Textauszug<br />

3): fa~tˁaħ-t »und es fiel«. Das ist eine Form, deren erster Teil (<strong>die</strong><br />

Konjunktion fa) dem Hocharabischen entstammt, während das Verb nur im<br />

marokkanischen Arabisch gebräuchlich ist. Sie kann also das von ihr gewählte<br />

formelle Register nicht durchhalten, entscheidet sich aber auch nicht für<br />

das marokkanische Arabisch als der Sprache, <strong>die</strong> sie eindeutig besser beherrscht.<br />

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