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Oder: Welchen Mehrwert hat die Mehrsprachig - IMIS - Universität ...

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Literalität im Arabischen in Aus- und Einwanderungskontexten<br />

Eine solche Strategie, <strong>die</strong> bei den Feldforschungen in Deutschland nie<br />

vorkam, aber mehrfach in Marokko anzutreffen war (es wurden allein von<br />

Zweit- und Drittklässlern 110 Texte erhoben) kann teilweise im Rückgriff auf<br />

<strong>die</strong> soziokulturellen Rahmenbedingungen des Umgangs mit Schrift in Houdas<br />

Familie interpretiert werden: Der Vater arbeitet in Frankreich, <strong>die</strong> Mutter<br />

und <strong>die</strong> Großmutter haben nie <strong>die</strong> Schule besucht, Houda ist <strong>die</strong> älteste Tochter.<br />

Wir fragten ihre Mutter, wieweit sie in der Lage sei, <strong>die</strong> Erledigung der<br />

Hausaufgaben bei ihrer Tochter zu kontrollieren:<br />

Interview-Transkript 5 (Mutter von Houda)<br />

Interviewerin: ki ka~t-ktəb huda ma ka~t-təll~i~ʃ f~d-dəftər djal~ha<br />

Wenn Houda schreibt, schauen Sie nicht in ihr Heft<br />

waʃnu ka~t-ktəb waxxa ma~t-fəhm~i~ʃ<br />

was sie schreibt? Okay? verstehen Sie nicht…<br />

Houdas Mutter: lla ka~n-ʃuf zəʕma waʃ l-ktaba məzjana<br />

Nein. Ich schaue nach... sozusagen ob ihre Schrift gut ist<br />

waʃ ʕewʒa waʃ msəggda waʃ<br />

ob sie schief ist oder ob sie gerade ist so…<br />

Der einzige Weg zur Kontrolle der Handschrift besteht also darin, <strong>die</strong> äußere<br />

Form der Schrift zu überprüfen, wie viele Linien auf der Seite gefüllt sind<br />

und ob <strong>die</strong> Schrift gerade und ordentlich ist. Die Praxis der Tochter erfüllt<br />

<strong>die</strong>se Anforderungen. Damit stabilisieren sich beide Praktiken als rein ästhetische<br />

gegenseitig und ermöglichen keinen Zugang zur grammatischsemantischen<br />

Struktur geschriebener Sprache.<br />

Houdas Mutter erzählt auch davon, dass aufgrund fehlender Lesefähigkeit<br />

niemand in ihrer Familie den Koran liest. Dieser Fall findet sich in<br />

unserem Sample selten. Viel häufiger wird angegeben, dass im Koran gelesen<br />

wird, auch wenn <strong>die</strong> Mütter selbst nicht schriftkundig sind. Eine Vorstellung<br />

von <strong>die</strong>ser Praxis des Lesens geben einige andere Mütter in ihren Interviews:<br />

Interview-Transkript 6 (nicht schriftkundige Mutter aus Berkane)<br />

ra~ni ħafdˁ-a ħizb təqribən tbark llah / iwa hija ʕawd-a<br />

PRÄS=1SG bewahr.PZA-F Teil beinahe lob.PASS.PF Gott ja 3SGF wiederhol:PZA-F<br />

Ich kann einen ganzen Abschnitt auswendig Lob sei Gott! und sie wiederholt ihn auch<br />

hakkək bɣi-t~ha ħetta hija bɣi-t~ha<br />

So woll-1SG.PF-3SGF auch 3SGF woll-1SG.PF-3SGF<br />

Auf <strong>die</strong>se Weise Ich möchte dass sie / auch sie / ich möchte,<br />

t-ħfədˁ u bɣi-t~ha t- qra<br />

3SGF.IPF-auswendig-lern: woll-1SG.PF-3SF 3SGF.IPF-les:<br />

dass auch sie ihn auswendig lernt Ich möchte, dass sie liest<br />

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