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Tschernobyl bis Fukushima - Hilfe für Kinder aus Tschernobyl e. V ...

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Teil 3. Die Atomenergetik nicht reinwaschen<br />

von <strong>Tschernobyl</strong><br />

Die Weltanschauung ändert sich<br />

Das Leben und die Arbeit nach der Havarie brachten mich ein weiteres<br />

Mal dazu, darüber nachzudenken, habe ich meinen Beruf richtig gewählt.<br />

Das ist eine sehr wichtige Frage, nicht weniger wichtig als die Auswahl der<br />

Ehefrau. Sich mit einer Sache zu beschäftigen, die die Umwelt vernichtet, die<br />

Flora und Fauna vernichtet, die den Menschen die Gesundheit nimmt –<br />

möchten viele nicht. Weshalb wollte ich das?<br />

Vor langer Zeit, im Jahre 1965, als ich in die Physikalisch-Technische<br />

Fakultät des Tomsker Polytechnischen Instituts eintrat, erschien mir die<br />

Zukunft im rosafarbenen Licht. Die Schulpropaganda drückte den Ansichten<br />

der Schüler einen Stempel auf, der wenig mit Wirklichkeit zu tun hatte und<br />

vollständig mit den Zielen des Staates übereinstimmte. So war es auch mit<br />

der Atomwissenschaft und –Technik, die uns dargestellt wurden, als<br />

lebenswichtige Zweige <strong>für</strong> militärische Zwecke und <strong>für</strong> Friedenszeiten. Ich<br />

bin dem gefolgt. Mir haben Physik und Mathematik immer gefallen und daher<br />

geschah meine Berufswahl schnell und zweifelsfrei. An der Hochschule<br />

erzählte man uns häufig über die außergewöhnliche Wichtigkeit unseres<br />

Berufes (Physikalisch-Energetische Anlagen), und <strong>aus</strong>nahmslos dürsteten<br />

wir schneller wirksame Ingenieur-Physiker zu werden.<br />

Meine Tätigkeit als Physiker begann in Tomsk-7 (heute die Stadt<br />

Seversk) in dem Atomkombinat, verdeckt unter der Abkürzung CXK (Sibirisches<br />

Chemisches Kombinat). Das Objekt, in dem ich angenommen wurde, war<br />

eindrucksvoll, gewaltig und modern. Mir gefielen auch die Menschen, die<br />

hier arbeiteten. Kluge, erfahren und geschickt wirkende, sogar in gefährlichen<br />

Havariesituationen, nebenbei gesagt mit minimal möglichem Risiko. Und<br />

leider, die Havarie passierte. Das ging auch an mir nicht vorbei. Ich bin<br />

meinem ersten Vorgesetzten Vjaceslav Dunaev sehr dankbar, der mir<br />

Gewohnheiten des individuellen Schutzes vor radioaktiver Strahlung<br />

beibrachte. Er übergab auch die Erfahrung praktischen Verhaltens in<br />

Situationen ohne Auswahl, wann außer Dir und jetzt diese Arbeit niemand<br />

tut. Weil es dann zu spät ist – die Folgen können schwer und von großem<br />

Ausmaß sein.<br />

Etwas bedrückend war das allumfassende Regime der Geheimhaltung,<br />

das nicht nur das Arbeitsklima regulierte, sondern auch das persönliche<br />

Leben. Wenn wir die Stadt verließen, sollten wir – auch, wenn die Eltern<br />

fragten – in Legenden, die vom Geheimdienst vorbereitet waren, sprechen.<br />

Aber auch <strong>für</strong> diese Unannehmlichkeiten gab es eine Rechtfertigung – in<br />

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