Tschernobyl bis Fukushima - Hilfe für Kinder aus Tschernobyl e. V ...
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Wusste das Personal des KKW über tödliche Dosen der Radioaktivität?<br />
Nein. Wurde es gewarnt? Auch nicht. Dass es gefährlich ist – wussten alle.<br />
Die Tatsache, dass die Situation tödlich gefährlich ist – am Anfang wussten<br />
das nur wenige Menschen, darunter der Direktor des KKW Viktor Brjuhanov<br />
und der Parteisekretär Sergej Parashin. Der Chef des Stabes der<br />
Zivilverteidigung Serafim Vorob’ev hatte ein Armeedosimeter DP-5, und<br />
nachdem er ein paar Messungen im KKW gemacht hatte, berichtete er dem<br />
Direktor und dem Parteisekretär über die extrem hohe Strahlung (an<br />
manchen Orten mehr als 2 Sv/h). Die diensthabenden Dosimetristen<br />
hatten an ihren Arbeitsplätzen nur Messgeräte <strong>für</strong> eine Strah-lung <strong>bis</strong> zu<br />
36 mSv/h. Daher konnten sie dem Betriebspersonal keine präzisen<br />
Informationen über das wahre Ausmaß der Strahlungskontamination in<br />
den Räumlichkeiten des KKW geben. Leistungsfähigere dosimetrische<br />
Geräte waren mit Plombe versiegelt, <strong>für</strong> deren Öffnung eine besondere<br />
Genehmigung erforderlich war. Die in der Nacht im KKW eintref-fenden<br />
Mitarbeiter der Abteilung <strong>für</strong> Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik Nikolaj<br />
Istomin und Aleksandr Cekalo, in deren Kompetenzbereich der<br />
Dosimetrieienst gehörte, überzeugten den stellv. Chef der Abteilung Boris<br />
Shinkarenko, die Lagerhalle mit dem Notvorrat an Geräten zu öffnen. Mit<br />
den gleichen Dosimetern DP-5 wurden ab 4 Uhr die gefährlichen Bereiche<br />
im Maschinensaal, wo Menschen gearbeitet haben, und im Transportkorridor<br />
gemessen. Später ha-ben Istomin mit Nepijushin Messungen<br />
der radioaktiven Kontamination im Bereich des Entlüfters durchgeführt.<br />
Die Messergebnisse haben sie dem Schichtleiter Arbeitsschutz und<br />
Sicherheitstechnik berichtet. Der Bericht wurde <strong>bis</strong> zum Direktor des KKW<br />
weitergeleitet. Warum Direktor Brjuhanov und Parteisekretär Parashin<br />
schwiegen, warum sie weiterhin Menschen in die tödlich gefährlichen<br />
Räumlichkeiten ohne W arnung über die Gefahr einer möglichen<br />
Überstrahlung schickten, ist eine offene Frage, die auch im Gericht nicht<br />
beantwortet wurde.<br />
Der Bevölkerung der Stadt Pripjat’ wurden ebenfalls die notwendigen<br />
Informationen vorenthalten. Der Chef des Stabes der Zivilverteidigung des<br />
KKW Serafim Vorob’ev hat praktisch ab 2 Uhr morgens am 26. April dem<br />
Direktor des KKW <strong>Tschernobyl</strong> und dem Parteisekretär über die tatsächliche<br />
Strahlenbelastung im Gelände des KKW und eine starke Kontamination in<br />
der Stadt Pripjat’ berichtet. Er forderte die Information der Bevölkerung, aber<br />
man ignorierte ihn. Der Direktor vertrieb ihn einfach “Gehe, geh weg von<br />
hier! Ich habe Korobejnikov (Leiter des Labors <strong>für</strong> äußere Dosimetrie)”- und<br />
stieß mich mit der Hand zurück – erinnert sich Serafim Vorob’ev an die<br />
Reaktion des Direktors. Der Parteisekretär zog sich nach der Bitte um <strong>Hilfe</strong><br />
an ihn kleinmütig zurück: “Überzeuge Brjuhanov selbst!”<br />
Anmerkung. In den Angaben über die Strahlungssituation in Pripjat’,<br />
welche durch Victor Brjuhanov und Vladimir Korobejnikov um 10 Uhr<br />
unterzeichnet wurden, sind 0,14 <strong>bis</strong> 0,54 mSv/h genannt. Verglichen mit<br />
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