Tschernobyl bis Fukushima - Hilfe für Kinder aus Tschernobyl e. V ...
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Betrieb gesetzt. Der Reaktor blieb ohne das den Brennstoff kühlende<br />
zirkulierende Wasser. Das führte im Ergebnis zu den Explosionen am 4.<br />
Block.<br />
Ich bin nicht geneigt, das Geschehene Fehlern der Operatoren<br />
zuzuschreiben. Sie arbeiten mit den Anlagen, die man ihnen gab, und mit den<br />
Instruktionen, die man <strong>für</strong> sie schrieb. Die Havarie, die passierte, ist<br />
projekteigen, sie ist in Instruktionen nicht beschrieben. Deshalb leitet nach<br />
der Havarie ein Havarie-Stab die Aktionen der Operatoren. Die<br />
Wasserstoffexplosionen in den Blöcken sind Folgen der Entscheidungen<br />
dieses Stabes. Wenn sie nach dem Ausfall der Zirkulation sofort das<br />
Leitungssystem und die Reaktoren entwässerten, dann hätte es in ihnen<br />
keine Dampf-Zirkon-Reaktion mit Wasserstoffbildung gegeben. Dann wäre<br />
der Druck in den metallischen Reaktorbehältern nicht so angestiegen. Dann<br />
wären nicht die Gasentladungen und die Explosionen gewesen. Dann wären<br />
alle Sicherheitsbarrieren ganz geblieben, außer den Schalen der<br />
Kernbrennstoffelemente und die Radioaktivität wäre nicht in die Umgebung<br />
<strong>aus</strong>getreten, nicht in Form von Gasen und nicht in Form von Wasser. Aber<br />
alle <strong>für</strong>chteten die hypothetische Kernschmelze, die den Reaktorkörper und<br />
die hermetische Schale durchschmelzen und nach außen dringen könnte.<br />
Deshalb waren alle Kräfte auf die Kühlung des Kernbrennstoffs in den<br />
Reaktoren mit Meerwasser gerichtet. Und deshalb vergaß man die<br />
Abklingbecken, in denen sich ebenfalls Wasserstoff zu bilden begann.<br />
Das furchtbare Bild, dass die Schmelze des Kernbrennstoffs den<br />
Reaktorbehälter durchbrennt, ergab sich <strong>aus</strong> alten, konservativen<br />
Berechnungen, welche Politiker und einige Wissenschaftler bereits vor<br />
<strong>Tschernobyl</strong> sehr erschreckten. In <strong>Tschernobyl</strong> gab es tatsächlich eine<br />
Kernschmelze. Aber sie bildete sich nicht auf Grund der Energie der<br />
Restwärme, sondern auf Grund der Energie einer Kernexplosion im Reaktor.<br />
Und diese Schmelze hat nichts von der Konstruktion unter dem Reaktor<br />
durchgebrannt. Sie ist ruhig zerflossen, hat gleichzeitig noch verschiedene<br />
Materialien in sich eingeschlossen und ihre „Stimme“ erstarrte friedlich im<br />
Wasser des Kondensationsbeckens unter dem Reaktor.<br />
Man hätte also die Reaktoren entwässern sollen, aber Wasser mit<br />
Feuerwehrpumpen allein in die Abklingbecken mit verbrauchtem<br />
Kernbrennstoff bringen müssen, um dort keine Explosion zuzulassen. Über<br />
diese Strategie schrieb ich am 15. März in das Stabsquartier der japanischen<br />
Zeitung „Majniti”. Mein Ziel war, die japanischen Spezialisten rechtzeitig vor<br />
dem unheilvollen Einsatz von Wasser <strong>für</strong> die Kühlung der Reaktoren zu<br />
warnen. Um die Dampf-Zirkon-Reaktion zu vermeiden, hätte man die<br />
Reaktoren nicht mit Wasser füllen dürfen. Man balancierte ständig an der<br />
Grenze der Explosion und die Explosionen fanden schließlich statt.<br />
Außer allem übrigen, die Verwendung von Meerwasser senkt sehr stark<br />
die Schwelle <strong>für</strong> den Beginn der Dampf-Zirkon-Reaktion <strong>bis</strong> 300 °C, während<br />
sie <strong>für</strong> ungesalzenes Wasser bei 800 °C liegt. Dieser Umstand vergrößert die<br />
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