Tschernobyl bis Fukushima - Hilfe für Kinder aus Tschernobyl e. V ...
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Die Stadt, mit Radioaktivität überschüttet, führte weiterhin ein normales<br />
Leben. Im Hotel arbeitete die Regierungskommission <strong>aus</strong> Moskau. Die<br />
Staatsgewalt hat keine offiziellen Informationen über Gefahren <strong>für</strong> die<br />
Bevölkerung gegeben. Eine Jod-Prophylaxe <strong>für</strong> die Bevölkerung wurde nicht<br />
durchgeführt. Das war der zweite verbrecherische Fehler der Vorgesetzten<br />
<strong>für</strong> die Arbeiten zur Lokalisierung der Auswirkungen der Havarie, keine<br />
Maßnahmen <strong>für</strong> den Schutz der Bevölkerung der Stadt getroffen zu haben.<br />
Der erste Fehler, so glaube ich, war die Unterschätzung der Wichtigkeit,<br />
rechtzeitig den Neutronen-Absorber Bor in den mit Kernbrennstoff versetzten<br />
Schutt der Reaktorgrube und der Reaktorhalle einzubringen. Dadurch<br />
wurden die Auswirkungen der Havarie <strong>für</strong> die ganze Welt dramatisch<br />
vergrößert.<br />
Warum hat die Staatsmacht nichts getan? Erstens war sie auf eine<br />
Havarie dieser Größenordnung nicht vorbereitet, obwohl regelmäßig<br />
Übungen der Zivilverteidigung durchgeführt wurden. Zweitens hatte sie<br />
Angst vor Entscheidungen, <strong>für</strong> die sie im Folgenden haften sollte. Und<br />
drittens war sie gleichgültig gegenüber dem Schicksal der Bevölkerung.<br />
Diese enttäuschenden Schlussfolgerungen habe ich <strong>für</strong> mich selbst nicht<br />
gleich gezogen, viel Zeit wurde <strong>für</strong> die Prüfung der Handlungen der<br />
Gewaltstrukturen (Partei- und Wirtschaftsinstrukteure, von der lokalen<br />
Ebene <strong>bis</strong> zur höchsten) verbraucht. Und jetzt, ein Vierteljahrhundert nach<br />
der Explosion in <strong>Tschernobyl</strong>, bin ich davon überzeugt. Und ich bin nicht<br />
allein. Wie antwortete auf diese Frage der Stabschef der Zivilverteidigung<br />
des Kraftwerks Serafim Vorob’ev: “Schon ein paar Stunden nach der<br />
Explosion kam der zweite Sekretär des Gebietsparteikomitees Vladimir G.<br />
Malomuzh nach Pripjat’. Er hat die Leitung übernommen. Aus meiner Sicht<br />
ein intelligenter Parteiarbeiter, ehrlich besorgt <strong>für</strong> alles, was passierte. Aber<br />
Zivilverteidigung war nicht sein Arbeitsgebiet. In dieser Sache gibt es eine<br />
Menge von Feinheiten. Bevor man auf die Einzelheiten eingeht, scheint alles<br />
einfach zu sein. Wenn es aber eine konkrete Frage betrifft? So passierte es<br />
damals. Man musste Beschlüsse fassen. Eine Überlegung aber, ob die<br />
eigenen Handlungen richtig sind, fehlte. Man hat auf die Anordnungen von<br />
oben gewartet und die Verantwortung auf die Schultern der höheren<br />
Vorgesetzten übertragen. Später kamen so viele nach Pripjat’! Unter ihnen<br />
waren auch Stabschef der Zivilverteidigung der Ukraine General Bondarcuk<br />
und der stellv. Chef der Zivilverteidigung der UdSSR General Ivanov. Als ich<br />
über ihre Ankunft erfuhr, dachte ich, dass nun wirklich alles an seinen Platz<br />
kommt! Aber warum die Benachrichtigungen nicht erfolgten, ist <strong>für</strong> mich auch<br />
heute noch ein Rätsel.”<br />
Meinerseits möchte ich hinzufügen, dass am Abend des 26. April die<br />
Regierungskommission unter Leitung des stellv. Vorsitzenden des<br />
Ministerrates der UdSSR B.E. Scherbina, die ganze Verantwortung auf sich<br />
genommen hatte. In wieweit diese Kommission die Situation beherrschte,<br />
kann man dar<strong>aus</strong> ersehen, dass sie an diesem Tag einen Zeitplan <strong>für</strong> die<br />
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