Tschernobyl bis Fukushima - Hilfe für Kinder aus Tschernobyl e. V ...
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Vitalij Perminov hat die Messungen dennoch durchgeführt. Nachdem er<br />
<strong>aus</strong> Bleiziegeln ein “Häuschen” gebaut und darin den Detektor untergebracht<br />
hatte, gelang es, den Pegel abzutrennen und das Spektrometer funktionierte.<br />
Nach 12 Uhr konnte ich von Perminov konkrete Informationen über das<br />
Ausmaß der Zerstörungen des Reaktors erfahren. Die Spektrometrie der<br />
Ablagerungen zeigte den Gehalt von Spaltprodukten des Kernbrennstoffs<br />
und dass 17% der gesamten Gamma-Aktivität die Folge von Neptunium sind,<br />
was deutlich auf die Zerstörung des Kerns und das Austreten von<br />
Staubpartikeln des Kernbrennstoffs in die Atmosphäre hinwies. In allen<br />
Proben (Luft-, Staub-, Wasser-) wurden Partikel von Kernbrennstoff<br />
festgestellt. Die Aktivität des Wassers, das in die Räumlichkeiten des Blocks<br />
4 gelang und sich von dort durch untere Stockwerke der Station verbreitete,<br />
betrug 3,7 E7 Bq/l. Diese Daten haben uns überzeugt, dass der Reaktor des<br />
4. Blocks stark beschädigt wurde. Die Spektrometrieergebnisse wurden<br />
sofort den <strong>Tschernobyl</strong>-Vorgesetzten Ljutov, Brjuhanov und Parashin<br />
mitgeteilt.<br />
Das Wasser, mit Radionukliden stark kontaminiert, hat denjenigen<br />
großes Leid gebracht, die mit ihm in Berührung kamen. Das Personal, das<br />
in den ersten Stunden der Havarie keine zuverlässigen dosimetrischen<br />
Informationen hatte und nicht rechtzeitig von den Dosimetristen in die<br />
Hygienekontrollstation zum W aschen und Umziehen in saubere<br />
Kombinationen geschickt wurde, war im Folgenden zu Strahlungsverbrennungen<br />
und schwerer Strahlenkrankheit verurteilt. Eine Strahlendosis<br />
in Höhe von 1 – 2 Sv/h konnte man infolge verunreinigter Kleidung erhalten,<br />
sogar nach dem Verlassen der gefährlichen Arbeitsstellen und Rückkehr<br />
zum eigenen Arbeitsplatz. Dieses Schicksal betrifft viele. Ein besonders<br />
anschauliches Beispiel ist der Obermechanikingenieur der Reaktorhalle 1<br />
Aleksandr Nehaev. Der Schichtleiter des KKW Boris Rogozhkin schickte ihn<br />
nach der Explosion zum Block 4 zur Verfügung des Blockschichtleiters<br />
Aleksandr Akimov. Zusammen mit Akimov und dem Oberingenieur der<br />
Reaktorhalle 4 Leonid Toptunov musste er manuell die Wasserschieber im<br />
Raum des Speisewasserknotens drehen, der teilweise durch die Explosion<br />
zerstört war. Dort lief auf sie ständig von oben radioaktives Wasser<br />
(nachträgliche Messungen haben eine Wasseraktivität von mehr als 1 Sv/h<br />
nachgewiesen).<br />
Nach der Rückkehr zu seiner Arbeitsstelle hatte er keine Zeit, sich zu<br />
waschen und saubere, trockene Spezialkleidung anzuziehen. Er wurde vom<br />
Leiter der Reaktorhalle 1 Vladimir Cugunov erneut aufgefordert, zum Block<br />
4 zu gehen. Cugunov zu erklären, dass er gerade vom Block 4 zurück ist,<br />
sich waschen und die radioaktiv verschmutzte Kleidung wechseln müsste,<br />
gelang Nehaev nicht. Mit scharfem, keinen Widerspruch duldendem Ton<br />
wurde er beauftragt, sich unverzüglich der Cugunov-Gruppe anzuschließen.<br />
Selbst seine Frau zu H<strong>aus</strong>e anzurufen, wurde Nehaev verweigert.<br />
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