Tschernobyl bis Fukushima - Hilfe für Kinder aus Tschernobyl e. V ...
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29. April<br />
Erstmalig gelang es <strong>aus</strong> dem Kraftwerk, die Familie in <strong>Tschernobyl</strong><br />
anzurufen. Sie hatten den großen Konvoi von Bussen mit der evakuierten<br />
Bevölkerung <strong>aus</strong> Pripjat’ gesehen. Das erinnerte meine Frau an die<br />
Chronikbilder <strong>aus</strong> dem zweiten Weltkrieg und zog ihr das Herz zusammen.<br />
<strong>Tschernobyl</strong> führte ein normales Leben, obwohl es auch stark radioaktiv<br />
kontaminiert wurde und zwangsläufig evakuiert werden musste. Ich bat<br />
meine Frau, weiter vom Kraftwerk wegzufahren, nach Kiew. Dort wird es<br />
sicherer <strong>für</strong> die <strong>Kinder</strong>. Sie tat das auch, nur mit Verzögerung. Erst am 1. Mai<br />
war meine Familie bei den Verwandten in der Hauptstadt.<br />
Ob es in Kiew sicher war? Besonders, nachdem der Wind von <strong>Tschernobyl</strong><br />
in Richtung der ukrainischen Hauptstadt wehte und durch sie sich<br />
zehnt<strong>aus</strong>ende von radioaktiven Autos <strong>aus</strong> den radioaktiv kontaminierten<br />
Gebieten bewegten? Die Zeitungen berichteten, dass Kiew sauber ist. Das<br />
sowjetische Fernsehen hat auch alle beruhigt. Die <strong>aus</strong>ländischen Medien<br />
aber berichteten, dass die radioaktiven Niederschläge weite Teile der<br />
meisten europäischen Länder kontaminiert haben. Wie da die Stadt Kiew<br />
sauber bleiben konnte, die nur hundert Kilometer von dem explodierten<br />
Reaktor entfernt war, passte nicht in meinen Kopf. Deshalb habe ich mich mit<br />
allen Kräften bemüht, meine Familie <strong>aus</strong> der Ukraine zu bringen. Dabei<br />
haben mir unsere Gewerkschaften geholfen. Mit deren <strong>Hilfe</strong> wurde meine<br />
Familie ab Anfang Juni in der moldauischen Stadt Dnestrovsk in dem<br />
Gewerkschaftsbetriebssanatorium des moldauischen Wasserkraftwerks<br />
aufgenommen. Dort hielt sie sich <strong>bis</strong> Mitte September 1986 auf.<br />
Kiew<br />
Gemäß allen offiziellen sowjetischen Nachrichten war Kiew von<br />
radioaktiver Strahlung nicht betroffen. Die Stadt wurde als “sauber”<br />
angesehen. Auf den Straßen haben die Mächtigen eine volkreiche<br />
Maidemonstration durchgeführt und genehmigten am 8. Mai den Start des<br />
internationalen Radrennens „Friedensfahrt“. Auf eine der Wissenschaft<br />
unbekannte Art übersprang die Radioaktivität diese alte Stadt und fiel weit<br />
hinter ihr in den südlichen Gebieten der Ukraine auf den Boden. Ich habe<br />
daran nicht geglaubt und erhielt später eine Bestätigung meiner Vermutungen<br />
über erhebliche radioaktive Kontamination in Kiew. Hier nur zwei Fakten<br />
einer langen Reihe von Informationen. Nikolaj Tarakanov, jetzt Generalmajor<br />
der Reserve der chemischen Truppen, der auch an der Dekontamination<br />
des KKW <strong>Tschernobyl</strong> teilgenommen hat, beschäftigte sich im Juni 1986 mit<br />
diesem Problem. Wie er mir später erzählte, fing alles damit an, dass ein<br />
„wissbegieriger“ Oberst, Dr. Kaurov, als wir schon die Dekontamination des<br />
Kraftwerksgeländes (Reinigung der Dächer von ionisierender Strahlung – N.K.)<br />
beendet hatten, vom Chreschatik (der Hauptstraße von Kiew – N.K.) ein<br />
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