Im Zwielicht der Zeit - Buch ist mehr - Verlag 3.0
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Aber schließlich holte er doch seine Geige und<br />
versuchte ein paar Passagen.<br />
»Es geht nicht <strong>mehr</strong>!« Traurig legte er das Instrument<br />
beiseite.<br />
»Es geht!« Gertrud sah ihm fest in die Augen. »Du<br />
musst dich nur nicht entmutigen lassen. Was man<br />
einmal gekonnt hat, das verlernt man nicht wie<strong>der</strong>.« Sie<br />
blickte in seine Noten und sah, dass er eine Bach-Sonate<br />
aufgeschlagen hatte. »Warum auch gleich mit dem<br />
Schwierigsten anfangen! Komm, lass es uns mit Mozart<br />
o<strong>der</strong> Haydn versuchen. Nein, besser noch mit Vivaldi!<br />
Seine Musik <strong>ist</strong> so voller Heiterkeit, voller Leichtigkeit,<br />
sie vertreibt alle schwermütigen Gedanken.«<br />
Sie bückte sich und suchte aus dem Stapel Noten, <strong>der</strong><br />
unten im Bücherregal lag, den Band mit den<br />
Violinsonaten von Vivaldi heraus. Dann setzte sie sich<br />
an den Flügel, und Paul stimmte seine Geige noch<br />
einmal. Als er fertig war, gab er ihr wie früher mit einem<br />
Kopfnicken zu verstehen, dass sie anfangen könnten.<br />
Zunächst klang die Geigenmelodie etwas zaghaft und<br />
zögerte immer wie<strong>der</strong> einmal. Gertrud, für die <strong>der</strong><br />
Klavierpart nicht schwierig war, stellte sich ganz auf<br />
Paul ein. Sie nahm das Tempo zurück, wenn sie merkte,<br />
dass ihm eine Stelle schwerfiel o<strong>der</strong> ein Lauf nicht recht<br />
glücken wollte, und sie passte auch die Lautstärke ihres<br />
Spiels dem etwas unsicheren, zarten Bogenstrich des<br />
Bru<strong>der</strong>s an. Den langsamen Satz <strong>der</strong> Sonate spielten sie<br />
ohne Unterbrechung durch. Dann ließ Paul den Bogen<br />
sinken.<br />
»Ich werde viel üben müssen.« Es klang resigniert,<br />
aber seine Augen glänzten.<br />
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