Im Zwielicht der Zeit - Buch ist mehr - Verlag 3.0
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durfte er aufstehen, zunächst nur eine Stunde täglich.<br />
Dann setzte er sich warm eingepackt in den Sessel und<br />
las die <strong>Zeit</strong>ung o<strong>der</strong> auch ein <strong>Buch</strong>. Oft saß Gertrud<br />
neben ihm auf einem Stuhl und hielt seine Hand. Sie<br />
sprachen kaum miteinan<strong>der</strong>, aber es war ein tiefes<br />
Verstehen zwischen ihnen, das keiner Worte bedurfte.<br />
Und dann kam endlich eine Karte von Paul! Gertrud<br />
hatte an diesem Morgen die Post in Empfang genommen<br />
und die Feldpostkarte gleich entdeckt. Aufgeregt fischte<br />
sie sie aus den übrigen Briefen und Drucksachen heraus<br />
und lief damit zum Vater. Wie wird er sich freuen!<br />
Strahlend betrat sie das Zimmer. »Post von Paul!«, rief<br />
sie ihm entgegen und schwenkte die Karte durch die<br />
Luft. Dann setzte sie sich neben ihn und las ihm die<br />
Nachricht vor:<br />
»Das Trommelfeuer <strong>ist</strong> entsetzlich«, schrieb Paul,<br />
»und <strong>der</strong> Schlamm und die Nässe machen uns viel zu<br />
schaffen. Manchmal werden wir abgelöst und bleiben<br />
ein paar Tage hinter <strong>der</strong> Front, um uns zu erholen.<br />
Jedesmal, wenn wir wie<strong>der</strong> nach vorn müssen, denke<br />
ich, nun hat sich etwas verän<strong>der</strong>t, und wir sind<br />
vorgerückt. Aber immer wie<strong>der</strong> kommen wir in die alten<br />
Stellungen zurück. Wie lange soll das noch so<br />
weitergehen?«<br />
Oertel schwieg. Sein Gesicht war ernst. Gertrud sah<br />
ihn an. Die Freude, die sie eben noch erfüllt hatte, wurde<br />
schal.<br />
»Vater, er lebt doch«, versuchte sie, seine trüben<br />
Gedanken zu zerstreuen und drückte seine Hand. Oertel<br />
starrte lange wortlos vor sich hin. Schließlich sah er<br />
seine Tochter an. Gertrud blickte in von Schwermut<br />
umschattete Augen.<br />
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