Im Zwielicht der Zeit - Buch ist mehr - Verlag 3.0
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Eine <strong>Zeit</strong> lang war nur das Klappern <strong>der</strong> Stricknadeln<br />
zu hören. Die Mädchen hingen ihren Gedanken nach.<br />
Dann nahm Helene das Gespräch wie<strong>der</strong> auf. »Willst du<br />
später Krankenschwester bleiben und noch eine richtige<br />
Ausbildung mit Abschlussexamen machen?«, fragte sie.<br />
Olga zuckte mit den Schultern. »Das weiß ich noch<br />
nicht, das wird sich finden«.<br />
Anni, ein groß gewachsenes, schlankes Mädchen mit<br />
blondem Haar, sagte: »Ich werde nach dem Krieg<br />
bestimmt eine Berufsausbildung machen. Am liebsten<br />
würde ich ein Lehrerinnenseminar besuchen.«<br />
»Lehrerin, das passt zu dir!«, rief Gretchen spontan<br />
dazwischen.<br />
Über Annis Gesicht huschte ein kurzes, spöttisches<br />
Lächeln. Sie war intelligent und sehr selbstbewusst.<br />
Schon in <strong>der</strong> Schule war sie aufgefallen, einmal durch<br />
gute Le<strong>ist</strong>ungen, dann aber auch dadurch, dass sie<br />
gelegentlich wagte, an<strong>der</strong>er Meinung zu sein als die<br />
Lehrer und das auch noch offen zum Ausdruck zu<br />
bringen.<br />
»Ich glaube, ich möchte am liebsten heiraten und<br />
Kin<strong>der</strong> haben.« Gretchen blickte mit treuherzigem<br />
Augenaufschlag in die Runde.<br />
»Das passt auch am besten zu dir«, gab Anni <strong>der</strong><br />
Freundin die Bemerkung von vorhin zurück. Ein leicht<br />
ironischer Unterton war dabei nicht zu überhören.<br />
Gertrud war schweigsam geworden. Sie hatte<br />
aufgehört zu stricken, die Nadeln lagen in ihrem Schoß.<br />
Dunkle Gedanken breiteten sich in ihr aus. Hatte sie<br />
eigentlich noch ein Ziel im Leben? Seit Wilhelms Tod<br />
schien ihr die Zukunft leer, ohne irgendeine Perspektive.<br />
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