Im Zwielicht der Zeit - Buch ist mehr - Verlag 3.0

durchdringenden Vitalität. Dienstmädchen und
Arbeiterfrauen mit Einkaufstaschen drängten sich durch
das Gewühl, junge Frauen schoben Kinderwagen, und
halbwüchsige Jungen versuchten, inmitten der
Menschenmenge Fangen oder Fußball zu spielen. Das
Leben pulsiert wieder, endlich, dachte Gertrud. In den
Kriegsjahren war es so ruhig hier. Nun atmen die
Menschen wieder auf. Wie einen belebenden Cocktail
sog sie dieses Gemisch aus Farben, Bildern, Geräuschen
und Gerüchen in sich ein: hupende Autos und
knatternde Motorräder, die seit Kriegsende immer
zahlreicher geworden waren, lachende und schwatzende
Menschen auf dem Gehsteig, Musik aus einer
Tanzdiele, deren Türen zur Straße hin geöffnet waren,
Gedränge vor der Kinokasse, Eis schleckende Kinder,
der Geruch nach Benzin und Autoabgasen, die Luft,
heiß und staubig. Das ist Großstadtluft, das ist Leben!
Sie genoss das brodelnde Durcheinander um sich
herum. Inmitten des bunten Treibens fühlte sie sich auf
eine intensivere Art und Weise lebendig, voller
Unternehmungslust, bereit, der Zukunft
entgegenzugehen und sie mit offenen Armen zu
empfangen, voller Hunger nach neuen Eindrücken und
Erfahrungen, erfüllt von einer Sehnsucht, die fast
schmerzhaft war, nach irgendetwas, das sie nicht
kannte. Den ärmlich aussehenden Mann, der an eine
Hauswand gelehnt dasaß, ein Schild mit der Aufschrift
»Ich bin arbeitslos« und eine Pappschachtel vor sich,
beachtete sie nicht weiter.
Ein paar junge Burschen drehten sich nach ihr um,
riefen: «Olala« und pfiffen. Sie registrierte ihre
bewundernden Blicke mit einem Anflug von
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