Im Zwielicht der Zeit - Buch ist mehr - Verlag 3.0
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»Lassen Sie uns tanzen, es wird gerade eine neue<br />
Platte aufgelegt.« Mit diesen leicht hingeworfenen<br />
Worten ging Gertrud aus dem Zimmer.<br />
Als sie nach Hause kam, war es schon lange nach<br />
Mitternacht. Sie hoffte inständig, dass niemand<br />
aufwachte. Dem Vater hatte sie gesagt, sie sei von Anni<br />
zum Geburtstag eingeladen worden. Wie sollte sie<br />
erklären, dass eine Geburtstagsfeier mit einer<br />
ehemaligen Schulfreundin bis in die frühen<br />
Morgenstunden hinein gedauert hatte? Leise schloss sie<br />
die Tür auf und zog die Schuhe aus. Es war ruhig im<br />
Haus, alles schien zu schlafen. Schnell wischte sie sich<br />
die Schminke vom Gesicht, falls sie doch jemandem<br />
begegnen sollte. Sie huschte in ihr Zimmer und zog<br />
geräuschlos die Tür hinter sich zu. Gott sei Dank,<br />
niemand hat mich bemerkt! Aufatmend begann sie sich<br />
auszuziehen.<br />
Sie konnte lange nicht einschlafen. Ihr war ganz<br />
benommen und schwindlig zumute. Sie fühlte sich wie<br />
berauscht, obwohl sie nur drei Gläser Wein getrunken<br />
hatte. <strong>Im</strong>mer wie<strong>der</strong> erlebte sie in ihrer Fantasie den<br />
Abend, sah die unbeschwerte, bunte Gesellschaft vor<br />
sich, hörte die Jazzmusik und das Dada-Gerede, sah<br />
Marcels Bil<strong>der</strong>, spürte seine Arme und Hände auf ihrer<br />
Haut und seinen Kuss auf ihren Lippen. Eine Welle <strong>der</strong><br />
Erregung überflutete ihren Körper. Ich habe es selbst so<br />
weit kommen lassen, weil ich mit ihm allein ins<br />
Nebenzimmer gegangen bin, dachte sie. Aber wollte ich<br />
es vielleicht sogar? War ich neugierig darauf, was<br />
geschehen könnte? Am liebsten würde ich die ganze<br />
sogenannte »gute Erziehung« über Bord werfen und nur<br />
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