Im Zwielicht der Zeit - Buch ist mehr - Verlag 3.0

Kälte und Nässe ... und dann das ständige Trommelfeuer
... Hoffentlich ist ihm nichts passiert. Ich habe solche
Angst.« Die Erinnerung an Wilhelms Tod, die stets
lebendig in ihr war, wurde übermächtig, und sie
unterdrückte mühsam ihre Tränen.
Das Gespräch stockte wieder, und jeder hing seinen
Gedanken nach.
»Ich hätte nicht erlauben sollen, dass er das Notabitur
macht«, sagte Oertel schließlich in das Schweigen
hinein und sah geistesabwesend auf seinen Teller.
»Aber damals sah alles ganz anders aus. Ich habe nicht
damit gerechnet, dass er an Kampfhandlungen würde
teilnehmen müssen. Der Krieg würde vorbei sein, ehe er
seine Ausbildung beendet hätte, dachte ich. Heute
mache ich mir Vorwürfe.« Es entstand eine
beklemmende Pause. Oertel strich mit der Hand über
seinen Bart, eine Geste, die er immer unbewusst machte,
wenn tiefere Gefühle ihn berührten. Endlich sagte er
leise, mehr zu sich selbst: »Er ist seelisch und körperlich
viel zu zart für das, was er jetzt erleben muss.«
Das Mittagessen ging zu Ende, ohne dass noch ein
weiteres Wort gesprochen wurde. Oertel setzte sich mit
der Tageszeitung in den Sessel, den Emmy fürsorglich
neben den Ofen gerückt hatte. Auch hier im Esszimmer
brannte bloß ein kleines Feuer, das den Raum nur mäßig
erwärmte. Gertrud betrachtete ihren Vater. Er ist
abgemagert, dachte sie. Das sorgenvolle Gesicht ... Es
scheint, als sei er in den letzten Monaten gealtert. Und
jetzt noch dieser Husten! Alle Pillen, die Dr. Winkler
verschreibt, und der Tee, den Emmy ihm kocht,
scheinen nicht zu helfen. Wenn er nur nicht noch
schlimmer krank wird! Sorge und Zärtlichkeit
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