Im Zwielicht der Zeit - Buch ist mehr - Verlag 3.0
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Passagen <strong>der</strong> »Haschemann«. Und so schwerelos<br />
Gertruds Finger eben noch auf den Tasten lagen, so<br />
kräftig konnten sie nun zupacken, so virtuos und<br />
geschickt bewältigten sie die schnellen Läufe.<br />
Wilhelm Zeidler hatte während <strong>der</strong> ganzen <strong>Zeit</strong> den<br />
Blick nicht von Gertrud gewandt. Er war überrascht,<br />
hingerissen, sowohl von ihrem Spiel als auch von ihrer<br />
Erscheinung. Wie sie da am Flügel saß, mit anmutigen,<br />
leichten Bewegungen <strong>der</strong> Hände und Finger, im gelben<br />
Seidenkleid mit dem Spitzenkragen, das einen schönen<br />
Kontrast zu ihrem dunklen, zu Schnecken aufgesteckten<br />
Haar bildete.<br />
Die Stimmung <strong>der</strong> »Träumerei« wie<strong>der</strong> aufnehmend,<br />
begann sie nun mit dem »Regentropfen-Prélude« von<br />
Chopin. Voller Bewun<strong>der</strong>ung hörte er ihr zu. Wie sie die<br />
stereotypen Tonwie<strong>der</strong>holungen des<br />
Regentropfenmotivs spielte, ganz leicht hingetupft ...<br />
wie sie darüber die friedvolle Melodie erklingen ließ,<br />
verhalten, doch mit beseeltem Ausdruck, das berührte<br />
ihn zutiefst. Um so <strong>mehr</strong> überraschte ihn die sich nun<br />
ständig steigernde Intensität ihres Spiels, mit <strong>der</strong> sie das<br />
Donnergrollen in den Bässen vorbereitete, das sich<br />
schließlich in einem Fortissimo-Ausbruch entlud. Wie<br />
viel Kraft und zugleich auch wie viel Innigkeit lebten in<br />
dieser jungen Frau! Er betrachtete ihr feines Profil, das<br />
vom Kerzenschein weich beleuchtet war, und meinte,<br />
ein Märchenwesen vor sich zu haben, eine Fee o<strong>der</strong> eine<br />
Elfe. Den Abschluss ihres Vortrags bildete das B-Dur<br />
Prélude. Das lebhafte, unbeschwerte Stück vermittelte<br />
eine heitere Stimmung, und als <strong>der</strong> letzte Akkord<br />
verklungen war, wurde spontan Beifall geklatscht. Auch<br />
Oertel nickte seiner Tochter anerkennend zu. Gertrud<br />
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