Im Zwielicht der Zeit - Buch ist mehr - Verlag 3.0
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Feldpostbriefen sollte es das Einzige sein, was ihr von<br />
ihrem Verlobten blieb.<br />
In den ersten Kriegswochen schienen sich alle<br />
optim<strong>ist</strong>ischen Erwartungen zu bestätigen. Die deutsche<br />
Armee stieß schnell von Belgien aus nach Frankreich<br />
vor. <strong>Im</strong>mer wie<strong>der</strong> läuteten die Kirchenglocken von<br />
allen Türmen <strong>der</strong> Stadt und verkündeten einen Sieg <strong>der</strong><br />
deutschen Truppen. Gertrud sah täglich mit innerer<br />
Spannung dem Briefträger entgegen. Wilhelm schrieb<br />
ihr, so oft er konnte. »Es geht schneller vorwärts, als wir<br />
gedacht haben, bald wird <strong>der</strong> Krieg zu Ende sein. Wir<br />
werden siegen, glaube mir! Es kann gar nicht an<strong>der</strong>s<br />
sein. Oh, wie freue ich mich darauf, Dich wie<strong>der</strong> in<br />
meinen Armen zu halten.« Gertrud las die Zeilen mit<br />
bewegtem Herzen und feuchten Augen. Sie sah<br />
Wilhelm vor sich, wie sie ihn das letzte Mal gesehen<br />
hatte, in seiner schmucken Uniform, stellte sich vor, wie<br />
er mit seinen Kameraden vorwärtsstürmte. Ein an<strong>der</strong>es<br />
Mal schrieb Wilhelm: »Wie ich Dich liebe, mein<br />
allerschönstes Mädchen! Oh, wüsstest Du, wie oft ich<br />
an Dich denke! <strong>Im</strong>mer wie<strong>der</strong> sehe ich Dein Bild vor<br />
mir, Dein seidiges dunkles Haar, Deine träumerischen<br />
braunen Augen.« Gertrud stieg das Blut in die Wangen.<br />
Sie verschloss diese Sätze tief in ihrem Herzen.<br />
Aber als <strong>der</strong> deutsche Vormarsch ins Stocken geriet<br />
und die Glocken immer seltener zu hören waren, kamen<br />
auch nicht <strong>mehr</strong> so viele Briefe an. <strong>Im</strong>mer öfter sah<br />
Gertrud den Briefträger gehen, ohne dass er ihr ein<br />
Lebenszeichen von ihrem Verlobten gebracht hätte.<br />
Einmal kam ein langer Brief. »Liebe Gertrud«, schrieb<br />
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