Im Zwielicht der Zeit - Buch ist mehr - Verlag 3.0
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Wilhelm, »wir liegen nun schon seit Wochen in einem<br />
Schützengraben, ohne Schutz dem Regen ausgesetzt.<br />
Wir sind völlig durchnässt und waten im Schlamm. Es<br />
geht überhaupt nicht <strong>mehr</strong> vorwärts, und die Stimmung<br />
<strong>ist</strong> sehr gedrückt. Von <strong>der</strong> Bege<strong>ist</strong>erung zu Anfang des<br />
Krieges <strong>ist</strong> bei uns allen nicht <strong>mehr</strong> viel übrig. Das<br />
Trommelfeuer <strong>der</strong> feindlichen Artillerie zermürbt uns!<br />
Es dröhnt uns Tag und Nacht in den Ohren. Neulich war<br />
<strong>der</strong> Herzog da und hat uns besucht. Das hat uns wie<strong>der</strong><br />
ein wenig Mut gemacht. Aber die Älteren unter uns, die<br />
<strong>mehr</strong> Erfahrung haben, glauben nicht <strong>mehr</strong> an einen<br />
leichten und schnellen Sieg. Ja, einige zweifeln sogar<br />
daran, dass es überhaupt einen Sieg geben wird.<br />
Tagelang können wir nicht aus dem Schützengraben<br />
heraus, und ich weiß gar nicht, ob Du diesen Brief<br />
überhaupt bekommen wirst.«<br />
Aus seinen Zeilen spricht Resignation und<br />
Müdigkeit, dachte Gertrud. Mit Beklemmung empfand<br />
sie diesen Wandel, als sie seine ersten Briefe noch<br />
einmal las. Voller Sorgen legte sie sie zurück in das<br />
hübsche messingbeschlagene Holzkästchen, in dem sie<br />
die Nachrichten von Wilhelm aufbewahrte.<br />
Dann wartete sie lange vergebens auf Post. Eines<br />
Tages, als die Bäume schon ihre Blätter verloren hatten<br />
und ein kalter Wind durch die Straßen pfiff, kam Oertel<br />
mit ernstem Gesicht aus <strong>der</strong> Hochschule nach Hause. Er<br />
hielt den Kopf gesenkt, und seine aufrechte, hohe<br />
Gestalt schien gebeugt. Als Gertrud ihren Vater so sah,<br />
wurde sie von bösen Vorahnungen erfasst. Ihr Herz<br />
krampfte sich zusammen. Angst erfüllte sie, Angst vor<br />
etwas Drohendem, das sie nicht kannte, nicht benennen<br />
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