Im Zwielicht der Zeit - Buch ist mehr - Verlag 3.0
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verloren hatte. Sie bewun<strong>der</strong>te ihren Vater, sie hatte die<br />
größte Hochachtung vor ihm, aber liebte sie ihn? Wollte<br />
er überhaupt Liebe? Wollte er nicht vielleicht nur<br />
respektiert werden, geachtet werden, bewun<strong>der</strong>t<br />
werden? Die Mutter hatte ihn geliebt. Und seine<br />
verzweifelte Trauer zeugte von <strong>der</strong> tiefen Liebe zu<br />
seiner Frau. Vielleicht hat er all seine Liebesfähigkeit in<br />
<strong>der</strong> Beziehung zu ihr erschöpft? Dieser Gedanke kam<br />
Gertrud plötzlich in den Sinn. Mit einer ruckartigen<br />
Bewegung strich sie eine Haarsträhne aus dem Gesicht,<br />
als wollte sie ihn verscheuchen, und wandte sich <strong>der</strong><br />
Post zu, die vor ihr auf dem Tisch lag.<br />
Ein Sonnenstrahl fiel durch das Erkerfenster des<br />
großen Wohnzimmers und ließ kleine Staubkörnchen<br />
aufblitzen. Gertrud hatte es übernommen, die<br />
Kondolenzbriefe zu beantworten, um dem Vater diese<br />
traurige Arbeit abzunehmen. An dem kleinen<br />
Schreibtisch im Erker ging sie die Briefe durch. Dabei<br />
wun<strong>der</strong>te sie sich, dass viele Bekannte offenbar gar<br />
nicht gewusst hatten, dass ihre Mutter krank gewesen<br />
war. Sie las immer wie<strong>der</strong>, dass man erstaunt sei über<br />
ihren frühen Tod. Oft wurde Gertrud auch damit<br />
getröstet, dass sie ja nun die schöne Aufgabe habe, für<br />
ihren Vater und ihren Bru<strong>der</strong> zu sorgen und die<br />
Hausfrau zu ersetzen. Sie würde sicher Erfüllung und<br />
Befriedigung darin finden, und das würde ihr über ihren<br />
eigenen Schmerz hinweghelfen. Die<br />
Selbstverständlichkeit dieser Erwartungen überraschte<br />
sie. Darüber hatte sie noch nicht nachgedacht. <strong>Im</strong><br />
Augenblick versorgte sie mit Fine und einer Zugehfrau<br />
den kleinen Haushalt, aber so würde es wohl nicht<br />
bleiben. Vater wollte ja eine Haushälterin engagieren.<br />
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