Im Zwielicht der Zeit - Buch ist mehr - Verlag 3.0
Im Zwielicht der Zeit - Buch ist mehr - Verlag 3.0
Im Zwielicht der Zeit - Buch ist mehr - Verlag 3.0
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
konnte, von dem sie aber fürchtete, dass es ihr Leben<br />
zerstören und sie verschlingen würde. Sie war blass und<br />
zitterte, als Oertel sie eine halbe Stunde später zu sich<br />
ins Studierzimmer rief. Der Vater saß in genau <strong>der</strong>selben<br />
gebeugten Haltung hinter seinem Schreibtisch, die<br />
Gertrud an ihm aufgefallen war, als er nach Hause kam.<br />
Er starrte auf die Tischplatte, ohne etwas zu sehen, und<br />
bemerkte seine Tochter nicht, die leise zur Tür<br />
hereingekommen war. Sie setzte sich still auf den Stuhl<br />
ihm gegenüber und wartete in einer angstvollen<br />
Spannung, die sie fast zu zerreißen drohte, darauf, dass<br />
<strong>der</strong> Vater endlich sprach. Sie wollte wissen, was ihn so<br />
bedrückte. Sie wollte es wissen, was es auch sei.<br />
Nach einigen Minuten qualvollen Schweigens<br />
begann Oertel mit belegter Stimme: »Wir haben heute<br />
eine L<strong>ist</strong>e bekommen mit den Namen <strong>der</strong> Studenten, die<br />
bis jetzt gefallen sind.« Kaum hörbar fuhr er fort:<br />
»Wilhelms Name <strong>ist</strong> dabei.«<br />
Gertrud erstarrte. Ihr Gesicht wurde zu einer Maske.<br />
Sie weinte nicht, sie schrie ihren Schmerz nicht heraus.<br />
Ihr war zu Mute, als würde sie von einem Ungeheuer<br />
gepackt, das sie fest in seinen Klauen hielt und ihr die<br />
Kehle zudrückte. Sie konnte keinen Laut hervorbringen.<br />
Gedankenfetzen und Bil<strong>der</strong> stiegen wahllos und<br />
ungeordnet in ihrem Innern auf. Sie sah Wilhelm, wie er<br />
von einer Granate zerfetzt wurde ... Gott, wie kannst du<br />
so etwas zulassen, schrie es in ihr ... Dann sah sie ihn,<br />
wie ein Franzose ihm eine Kugel in den Kopf schoß ...<br />
sah ihn hilflos auf dem Schlachtfeld liegen ... Es darf<br />
nicht sein ... Es darf nicht sein ... Es kann nicht sein!<br />
Dann verschwanden die Bil<strong>der</strong>, um eine trostlose Leere<br />
zurückzulassen.<br />
64