Im Zwielicht der Zeit - Buch ist mehr - Verlag 3.0
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gebildeter und verantwortungsbewusster junger Mann,<br />
<strong>der</strong> er <strong>ist</strong>, wird er sich das sicher selbst sagen.« Plötzlich<br />
wurde er sehr ernst. Die Heiterkeit, die er anfangs hatte,<br />
war ganz aus seinem Gesicht verschwunden. »Die<br />
politische Lage macht mir Sorgen. Es könnte Krieg<br />
geben.« Er hielt seine Augen starr auf die<br />
Schreibtischplatte geheftet und schien seinen Gedanken<br />
nachzuhängen. Seine Finger spielten nervös mit einem<br />
Ble<strong>ist</strong>ift. Es entstand eine längere Pause.<br />
Gertrud konnte nicht verstehen, was den Vater an<br />
dem Wort »Krieg« so beunruhigte. Sie dachte an die<br />
Siegesfeiern im August am Sedantag, an das<br />
Glockengeläute, das dann von allen Türmen her die<br />
Straßen erfüllte, an die wehenden Fahnen vor den<br />
Häusern, an die vielen Tausend Menschen, die sich auf<br />
dem Altstadtmarkt versammelten und die Kaiserhymne<br />
sangen und den Choral »Nun danket alle Gott«. Wie oft<br />
hatte sie selbst mitgesungen. Und die Soldaten in ihren<br />
schmucken Uniformen, die Kavaller<strong>ist</strong>en hoch zu Ross<br />
mit ihren in <strong>der</strong> Sonne blitzenden Säbeln, die Orden und<br />
Ehrenzeichen, die viele trugen ... das war so feierlich, so<br />
erhebend.<br />
Die besorgte Stimme des Vaters schreckte sie aus<br />
ihren Gedanken auf. »<strong>Im</strong> Falle eines Krieges <strong>ist</strong> damit<br />
zu rechnen, dass Wilhelm zu den Truppen einrücken<br />
muss.« Oertel strich sich mit <strong>der</strong> Hand über die Stirn, als<br />
wolle er diese Möglichkeit wegwischen. Dann straffte<br />
er sich. »Aber es wird wohl nicht so weit kommen, und<br />
wenn, dann wird es sicher nicht lange dauern.« Er stand<br />
auf, nahm Gertrud in den Arm und strich ihr zärtlich<br />
über das Haar. »Wenn es einmal so weit <strong>ist</strong>, meinen<br />
Segen habt ihr.«<br />
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