Im Zwielicht der Zeit - Buch ist mehr - Verlag 3.0
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25 . Juni<br />
1914,<br />
nachmittags<br />
I<br />
ch fühle mich – ich weiß nicht wie. Glücklich?<br />
O<strong>der</strong> auch ein bisschen bange? Aber da <strong>ist</strong><br />
eine tiefe innere Freude, und dieses Gefühl<br />
durchdringt alles. Die Strahlen <strong>der</strong> Nachmittagssonne<br />
fallen durchs Fenster. Die bunten Glasscheiben lassen<br />
farbige Muster auf den Seiten meines Tagebuchs<br />
entstehen. Wie hübsch das aussieht, wie hell und<br />
freundlich, ein Spiegelbild meiner Stimmung. Vater war<br />
so verständnisvoll, so zärtlich zu mir. Es kommt nicht<br />
oft vor, dass er mich in den Arm nimmt, aber es macht<br />
mich immer sehr froh, wenn er es tut. Oh, wie wünsche<br />
ich mir, Wilhelms Frau zu werden! Aber will er mich<br />
auch? Wenn er da <strong>ist</strong>, dann bin ich ganz sicher, dass er<br />
genauso fühlt wie ich. Wie er mich ansieht, wie er meine<br />
Hand hält o<strong>der</strong> seinen Arm um mich legt ... das alles<br />
scheint mir zu sagen, dass er mich liebt, so wie ich ihn<br />
liebe. Doch wenn er nicht da <strong>ist</strong>, bin ich voller Bangen<br />
und Zweifel, zwischen Hoffen und Mutlosigkeit hinund<br />
hergerissen.<br />
In den letzten Julitagen des Jahres 1914 sprach man<br />
nur noch vom bevorstehenden Krieg. Selbst an Gertrud,<br />
die sich eingesponnen hatte in ihre Traumwelt <strong>der</strong> Liebe<br />
zu Wilhelm, gingen diese Gerüchte nicht vorüber. Die<br />
Ermordung von Erzherzog Franz Ferdinand und seiner<br />
Frau in Sarajevo, die die Menschen erregte, nahm sie<br />
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