Im Zwielicht der Zeit - Buch ist mehr - Verlag 3.0
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Der Sommer ging zu Ende, und je<strong>der</strong> fürchtete, dass<br />
es einen zweiten Kriegswinter geben würde. Gertrud<br />
erinnerte sich nur zu gut an den letzten Winter.<br />
Wie kalt und ungemütlich war es manchmal im Haus<br />
gewesen, weil es nicht genug zum Heizen gab. Und alle<br />
Nahrungsmittel waren knapp und teuer. Ob es dieses<br />
Jahr noch schlimmer wird, fragte sie sich oft. Sie dachte<br />
mit Bangen an die kalte Jahreszeit und sehnte sich nach<br />
den schönen Sommertagen in Harzburg, nach dem<br />
Garten und dem Wald. Selbst das anstrengende<br />
Heidelbeerpflücken kam ihr jetzt wie ein Vergnügen<br />
vor.<br />
An einem sonnigen, aber schon recht kühlen Tag im<br />
Oktober hatten sich im Hause Oertel fünf junge Frauen<br />
um den großen Tisch im Esszimmer versammelt. Jede<br />
war mit einem Strickzeug beschäftigt und hatte eine<br />
Tasse dampfenden Tee vor sich stehen. Aus den letzten<br />
Mehlvorräten hatte Emmy einfache Kekse gebacken.<br />
Gertrud wollte das alte Kränzchen aus ihrer Schulzeit<br />
wie<strong>der</strong> aufleben lassen und hatte deshalb ihre<br />
Schulfreundinnen eingeladen. Sie beschlossen, sich wie<br />
früher einmal in <strong>der</strong> Woche reihum zu treffen und<br />
warme Sachen für die Frontsoldaten zu stricken. Das<br />
Rote Kreuz hatte zu Spenden aufgerufen und sammelte<br />
vor allen Dingen warme Kleidung. Weil sich die jungen<br />
Frauen längere <strong>Zeit</strong> nicht gesehen hatten, gab es viel zu<br />
erzählen. Das monotone Geräusch <strong>der</strong> klappernden<br />
Stricknadeln begleitete ihr Plau<strong>der</strong>n und Kichern wie<br />
ein Ostinato.<br />
»Wisst ihr übrigens, dass ich mich zum Roten Kreuz<br />
gemeldet habe?«, sagte Olga, ließ den Pulswärmer, an<br />
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