Im Zwielicht der Zeit - Buch ist mehr - Verlag 3.0
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Gertrud biss sich auf die Lippen. Sie hatte sich den<br />
Wünschen des Vaters stets gebeugt. Sein Zorn weckte<br />
in ihr ein unbestimmtes Schuldgefühl. Aber da war auch<br />
noch etwas an<strong>der</strong>es, Neues in ihr; etwas wie Trotz, wie<br />
die Lust, mit dem Vater ihre Kräfte zu messen. Das hatte<br />
sie noch nie empfunden, und sie wurde sich dieser<br />
Regung auch kaum bewusst, doch sie sagte standhaft:<br />
»So viele Leute tun das. Selbst Annis Mutter <strong>ist</strong> sich<br />
nicht zu schade dafür. Vater, ich bin doch kein Kind<br />
<strong>mehr</strong>, und schließlich <strong>ist</strong> Emmy ja bei mir. Wir müssen<br />
doch was zum Essen haben.«<br />
Oertel sah seine Tochter an, ohne ein Wort zu sagen.<br />
Allmählich legte sich sein Zorn, und er spürte auf<br />
einmal, dass irgendetwas sich geän<strong>der</strong>t hatte. Gertrud<br />
wirkte erwachsener, selbstbewusster. War sie schon<br />
länger so? Hatte er gar nicht bemerkt, dass aus seiner<br />
Tochter eine junge Frau geworden war? Gedankenvoll<br />
fuhr er mit <strong>der</strong> Hand über seinen Bart. Schweigen füllte<br />
den Raum. Schließlich brummte er :<br />
»Also meinetwegen, mach, was du willst.« Ohne<br />
Gertrud noch weiter zu beachten, wandte er seine<br />
Aufmerksamkeit wie<strong>der</strong> seiner Arbeit zu.<br />
Leise verließ sie das Zimmer. Eigentlich sollte ich<br />
mich freuen, dass ich meinen Willen durchgesetzt habe,<br />
dachte sie. Aber die rechte Freude wollte sich nicht<br />
einstellen. Sie fühlte, dass sie ihren Vater nicht hatte<br />
überzeugen können, dass er nur wi<strong>der</strong>willig<br />
nachgegeben hatte. Vielleicht wollte er nicht länger<br />
gestört werden? Ein zwiespältiges Gefühl blieb in ihr<br />
zurück.<br />
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