Im Zwielicht der Zeit - Buch ist mehr - Verlag 3.0

Oertel sagte lange nichts. Er ließ seinen Blick
unverwandt auf seinem Sohn ruhen, aber das
Unverständnis und die Strenge, die Gertrud eben noch
in seinen Augen hatte lesen können, waren daraus
gewichen. Sie hatten jetzt einen forschenden Ausdruck,
und es schien ihr, als sehe sie auch ein wenig Wärme
darin. Nach einer langen Pause begann ihr Vater zu
sprechen. Seine Stimme klang ungewohnt weich.
Gertrud spürte das Mitgefühl, das Pauls Worte in ihm
geweckt haben mussten.
»Du hast viel durchgemacht, und ich verstehe, dass
du dich erst wieder im Leben zurechtfinden musst. Aber
übereile nichts. Triff in einer solchen Verfassung keine
Entscheidungen fürs Leben, die du später vielleicht
einmal bereust. Wenn du mehr Abstand zu deinen
Kriegserlebnissen gewonnen hast, wirst du die
Wissenschaften ohne Emotionen und mit klarem
Verstand betrachten, wirst zu logischem Denken und
geistiger Einsicht fähig sein. Du lässt dich noch zu stark
von jugendlicher Schwärmerei leiten.«
Paul hatte ruhig zugehört. Er empfand die Autorität
des Vaters und des Lehrers, aber er fühlte in sich auch
die Kraft zum Widerstand.
»Die Sinnfragen sind es doch, Vater, die den
Menschen umtreiben. Die Fragen: Warum bin ich hier?
Warum muss ich so viel leiden? Was ist der Sinn von
alledem, was hier auf Erden geschieht? Darauf können
die Naturwissenschaften keine Antwort geben. Ich
weiß, welchen Weg ich gehen muss. Ich möchte dem
Hass, der die Welt beherrscht, die Liebe
entgegenstellen.«
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