Im Zwielicht der Zeit - Buch ist mehr - Verlag 3.0
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Seit diesem Gespräch wartete Gertrud voller Angst<br />
auf die drohende Auseinan<strong>der</strong>setzung zwischen Vater<br />
und Sohn. Sie wusste, dass sie eines Tages kommen<br />
würde, sie war unvermeidlich. Jedes Zusammensein mit<br />
den beiden war für sie begleitet von einer inneren<br />
Spannung. Sie hatte das Gefühl, dass sie in bei<strong>der</strong><br />
Gegenwart nicht <strong>mehr</strong> unbefangen sein konnte, aber<br />
niemand schien es zu bemerken.<br />
So war es auch an diesem Tag, nach dem<br />
Abendessen. Emmy und Martha hatten den Tisch schon<br />
abgeräumt, aber ganz gegen seine Gewohnheit blieb<br />
Oertel noch sitzen. Gertrud und Paul warteten, dass er<br />
sich erhob, damit auch sie aufstehen konnten. Es<br />
entstand eine beklemmende Stille. Nur das Ticken <strong>der</strong><br />
großen Standuhr in <strong>der</strong> Ecke und das Kn<strong>ist</strong>ern des<br />
spärlichen Feuers im Ofen waren zu hören. Der<br />
Herbstwind trieb Regenböen vor sich her, die gegen die<br />
Fensterscheiben prasselten. Schließlich blickte Oertel zu<br />
seinem Sohn hinüber.<br />
»Du hast dich inzwischen doch ganz gut erholt. Ich<br />
denke, du solltest mit dem Studium anfangen, solange<br />
du noch zurückgestellt b<strong>ist</strong>.«<br />
Gertruds innere Anspannung wuchs. Nun wird es<br />
Streit geben, dachte sie beklommen. Sie fühlte sich hin<br />
und her gerissen zwischen dem Wunsch, das Zimmer zu<br />
verlassen, und dem Bedürfnis, ihrem Bru<strong>der</strong><br />
beizustehen. Gegen den Vater konnte sie zwar nichts<br />
ausrichten, aber ihre Nähe würde Paul vielleicht ein<br />
bisschen unterstützen können. Also blieb sie.<br />
Als Paul nicht antwortete, fuhr Oertel fort: »Du wirst<br />
sicher an <strong>der</strong> Carolo-Wilhelmina studieren wollen. Ich<br />
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