17.11.2012 Aufrufe

Katastrophen machen Geschichte - oapen

Katastrophen machen Geschichte - oapen

Katastrophen machen Geschichte - oapen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Wallfahrt und Kreuzgang<br />

Häufiger als Beamte widmeten sich Tiermediziner der religiösen Seite von Seuchenausbrüchen.<br />

Maximilian Georg Blumenschein etwa konstatierte in einer<br />

1787 erschienenen Viehseuchenschrift: „Daß Gott der Herr einen Ort […] mit<br />

der Pest – oder einer andern ansteckenden Krankheit heimsuche – bezweifelt<br />

wohl Niemand.“ 36 Das Bild eines strafenden Gottes vertrat also auch er.<br />

Daneben sah er die Natur am Werke. „Wenn Gott die Menschen durch Wegnehmung<br />

ihres Viehes züchtigen will; so fehlt es gewis nicht an natürlichen Ursachen.“<br />

37 Gott und Natur wurden hier miteinander in Beziehung gesetzt: Der<br />

strafende Gott wollte demnach die Menschen durch Viehseuchen bestrafen und<br />

setzte dabei natürliche Mittel ein. Ein anderer Tiermediziner nahm die straftheologische<br />

Deutung ebenfalls auf und forderte, die von Gott gegebenen natürlichen<br />

Mittel bei Rinderseuchen anzuwenden. 38 Die im Zentrum der Abhandlung stehenden<br />

säkular-tiermedizinischen Bewältigungsmaßnahmen wurden in einen<br />

christlichen Kontext eingebettet und somit religiös legitimiert. Eine Verknüpfung<br />

zwischen Religion und Rinderseuchen stellte auch eine 1797 veröffentlichte<br />

Viehseuchenschrift her. Darin verortete der Autor die Schuld an Seuchenausbrüchen<br />

bei den Menschen selbst: Wenn die Menschen den natürlichen und göttlichen<br />

Gesetzen folgten, würden keine Seuchen ausbrechen. 39<br />

Die bayerischen Tiermediziner verknüpften demnach im späten 18. Jahrhundert<br />

religiöse und tiermedizinische Deutungsmuster und Bewältigungsmaßnahmen,<br />

so dass zwischen beiden Ebenen kein Widerspruch bestehen musste.<br />

Dessen ungeachtet konnten die Tiermediziner ihre eigene Position hervorheben<br />

und damit eigene Interessen vertreten. Die aufgeklärten Ärzte, die in Kurbayern<br />

Rinderseuchen bekämpften, bildeten in ihrem Handeln keine Ausnahme,<br />

denn „[…] viele Aufklärer suchten nach neuen Verbindungen ihrer Ideen mit<br />

religiösen Lehren, erklärten die eigenen Bestrebungen für christlich und hielten<br />

die Religion insgesamt für unverzichtbar, freilich ohne länger die theologischen<br />

Inhalte voll zu akzeptieren.“ 40<br />

36 Blumenschein, M. G. (1787): Vollstaendiger Unterricht fuer den Landmann, wie sich selber bey<br />

herrschenden Viehseuchen sowohl, als auch bey andern Krankheiten und Zufällen des Pferd-, Horn-,<br />

Schwein- und Schaafviehes mit Vorbau- und Heilungsmitteln zu verhalten habe, Joseph Lentner:<br />

München, S. 4.<br />

37 Blumenschein: Unterricht, S. 6.<br />

38 Vgl. Niederhuber, I. (1790): Abhandlung über die jetzt epidemisch herschende Viehseuche der<br />

gelbe Schelm genannt, für gegenwärtige und zukünftige Zeiten, Herzer: München, S. 78 f..<br />

39 Vgl. Eckartshausen, K. von (1797): Von der Nutzbarkeit des Gebrauchs der reinen Phosporsäure<br />

bey itzt grassirender Viehseuche, als ein spezifisches Mittel wider die Fäulnis, Strobel: München,<br />

S. 2 ff..<br />

40 Dülmen: Dritter Band. Religion, S. 138.<br />

127

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!