17.11.2012 Aufrufe

Katastrophen machen Geschichte - oapen

Katastrophen machen Geschichte - oapen

Katastrophen machen Geschichte - oapen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

64<br />

Torsten Meyer<br />

same „Vertilgungs“- Techniken bevorzugten. Insofern also geht es mir nicht primär<br />

um den Zusammenhang von natürlichen, extremen Ereignissen und Struktur<br />

und damit nicht um eine Antwort auf die Frage nach dem Kontingenz-Charakter<br />

solcher Ereignisse. Nahe liegender Weise interessiert eher die historische Struktur<br />

unter Einschluss eben eher alltäglicher Ereignisse.<br />

Darüber hinaus handelt es sich bei der Formulierung ‚alltägliche Extreme‘<br />

selbstverständlich um eine Referenz an das Tagungsthema. Eine weitere Referenz<br />

bildet allerdings auch der Gegenstand selbst – die agrarischen „Schädlinge“, denen<br />

sich in den letzten Jahren vor allem die Arbeitsgruppe um Bernd Herrmann widmete.<br />

Die entstandenen und in Arbeit befindlichen Studien konzentrieren sich<br />

dabei auf Schädlingsplagen, -wahrnehmungen und -bekämpfungsstrategie in der<br />

Frühen Neuzeit. 3 So selbstverständlich in diesen Studien der Begriff „Schädling“<br />

verwendet wird, ist dennoch zu fragen, ob dies historisch zulässig ist. Eine Frage,<br />

die vor allem Sarah Jansen ausdrücklich verneinte. In ihrer Dissertation „ ‚Schädlinge‘.<br />

<strong>Geschichte</strong> eines wissenschaftlichen und politischen Konstrukts 1840-1920“<br />

arbeitete sie heraus, dass das ihrer Meinung nach entscheidende Merkmal des<br />

Schädlingskonzeptes sich darin begründet, dass der „Schädling“ ent-artet, die Begriffsverwendung<br />

nicht bezogen ist auf konkrete biologische Arten. 4 Somit konnte<br />

auch der Mensch selbst zum „Schädling“ mutieren. Ein solches Verständnis war<br />

dem „Schädlichen“ der Frühen Neuzeit fremd. Jansen ist mithin grundsätzlich zu<br />

zustimmen, wenn sie den fundamentalen Unterschied zwischen der Konstruktion<br />

des „Schädlings“, ein Begriff der zudem der Vormoderne unbekannt war, und den<br />

„culturschädlichen Thieren“, den „Unzieffer“ und dem „Ungezieffer“ betont.<br />

Fragen wir nach dem Bedingungsgefüge, das jene Konstruktion des „Schädlings“<br />

in der Moderne erlaubte, so verweist Jansen auf drei wichtige Aspekte:<br />

1) die ihrer Meinung nach in der Aufklärung, präziser: der ökonomischen<br />

Aufklärung, gründende Saldierung von Schaden und Nutzen, die in die<br />

Fauna eingeschrieben wurde<br />

2) die Formierung des Nationalstaates, die es erlaubte, den Schädling als<br />

das Fremde anzusehen und<br />

3) damit auf das Engste verknüpft, eine neue Art des Schadens, ein national<br />

aufgeladener Schaden, der nicht mehr z.B. den Wald, sondern<br />

den „deutschen Wald“ traf. 5<br />

3 Vgl. als Überblicke: Hermann, B.: (2006): Zur Historisierung der Schädlingsbekämpfung. In: Meyer,<br />

T. / Popplow, M. (Hg.): Technik, Arbeit und Umwelt in der <strong>Geschichte</strong>. Günter Bayerl zum 60.<br />

Geburtstag, Waxmann: Münster u. a., S. 317-338; Herrmann, B. (2007): Ein Beitrag zur Kenntnis von<br />

Schädlingsbekämpfungen und ihren Konzepten im 18. und frühen 19. Jahrhundert an Beispielen aus<br />

Brandenburg-Preußen. In: Engelken, K./ Hünniger, D./ Windelen, S. (Hg.): Beten, Impfen, Sammeln.<br />

Zur Viehseuchen- und Schädlingsbekämpfung in der Frühen Neuzeit, Universitätsverlag Göttingen:<br />

Göttingen, S. 135-189.<br />

4 Vgl. Jansen, S. (2003): ‚Schädlinge‘. <strong>Geschichte</strong> eines wissenschaftlichen und politischen Konstrukts<br />

1840-1920, Campus: Frankfurt am Main / New York, S. 11-19.<br />

5 Ebd., S. 11-12.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!