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Katastrophen machen Geschichte - oapen

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Torsten Meyer<br />

grausamste Art und Weise. M. E. lassen sich hier unterschiedliche, mit einander<br />

verzahnte Gründe anführen:<br />

Die naturhistorische und für die Physiko-Theologie konstitutive Denkfigur der<br />

oeconomia naturae erfuhr – massgeblich beeinflusst durch die Schriften Carl von<br />

Linnés – eine Ent-Theologisierung, sie erhielt einen ausdrücklich anthropozentrischen<br />

Referenzpunkt. Dieser legitimierte nun seinerseits ein radikales Vorgehen<br />

gegen jene „alltäglichen Extreme“, die auf unterschiedlichste Weise die Wirtschaft<br />

und Kultur bedrohten.<br />

Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts verlor das den frühneuzeitlichen Fürstenstaat<br />

legitimierende Moment der Denkfigur der „Glückseligkeit“, die sowohl die<br />

frühe Kameralistik als auch staatstheoretische Schriften prägte, rasch an Bedeutung,<br />

wurde im kameralistischen und staatswissenschaftlichen Diskurs durch ein<br />

reziprokes Verpflichtungsverhältnis von Staat und Bürger verdrängt. Darüber hinaus<br />

enthielt die Denkfigur nun auch ein materielles Wohlfahrtsversprechen, das<br />

über die „gerechte Nahrung“ hinausging 51 – nicht mehr stratifikatorischen sondern<br />

funktionalen Prinzipien folgte. Und insofern die Denkfigur der „Glückseligkeit“<br />

einen steigenden Konsum des „vernünftigen Bürgers“ inkludierte, schien sie sich<br />

auf die Nutzen-Schaden Bilanzierung des agrarischen „Schädlings“ dahingehend<br />

auszuwirken, dass der Schaden dominierte, sich die Waagschale zu Ungunsten der<br />

als „schädlich“ apostrophierten Fauna änderte.<br />

Dass die alltägliche „Schädlings“-Bedrohung im ökonomischen Diskurs seit<br />

der Mitte des 18. Jahrhunderts zunehmend extreme Züge erhielt und in der Formulierung<br />

grausamer Vertilgungstechniken kumulierte, hing letztlich auch damit<br />

zusammen, dass die Förderung der ökonomischen Interaktion von Landwirtschaft,<br />

Gewerbe und Handel erklärtes Ziel der Staatswissenschaftler war. Eine „blühende<br />

Landwirthschaft“ basierte dabei den Aufschwung des Gewerbes und Handels,<br />

sicherte die gewünschte „harmonische Verbindung“ der Sektoren. 52 Dass sich die<br />

ökonomische Aufklärung dementsprechend vor allem Fragen einer intensiven<br />

Landwirtschaft annahm, 53 darf nicht wundern. Wenig verwunderlich ist dies vor<br />

allem auch, da das vorindustrielle Gewerbe maßgeblich auf der Verarbeitung so<br />

genannter Manufakturpflanzen beruhte. Was sich unter kameralistischen und<br />

staatswissenschaftlichen Vorzeichen damit immer stärker abzeichnete, war auch<br />

eine Verschärfung der Flächennutzungskonkurrenz zwischen dem agrikulturellen<br />

51 Vgl. zum Wandel vormodernen Konsumkonzepte zusammenfassend: Meyer, T. (2003): „Konsum“<br />

in ökonomischen Texten der Frühen Neuzeit. In: Meyer, T. / Reith, R. (Hg.): Luxus und Konsum –<br />

Eine historische Annährung, Waxmann: Münster, S. 61-82; Szöllösi-Janze, M. (1997): Nothdurft –<br />

Bedürfnis. Historische Dimensionen eines Begriffswandels. In: <strong>Geschichte</strong> in Wissenschaft und<br />

Unterricht, Jg. 48, S. 653-673.<br />

52 Vgl. zusammenfassend: Meyer: Natur, S. 52-59.<br />

53 Vgl. Popplow, M. (Hg.) (2009): Landschaften Agrarisch-Ökonomischen Wissens. Regionale Fallstudien<br />

zur landwirtschaftlichen und gewerblichen Themen in Zeitschriften und Sozietäten des 18.<br />

Jahrhunderts, Waxmann: Münster u. a. (im Druck).

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