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Katastrophen machen Geschichte - oapen

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Bewältigung von Naturkatastrophen<br />

katastrophe oder einem extremen Wetterereignis aber zunehmend in die Richtung<br />

von Spendenaufrufen. Zunächst verfolgten die Berichtsschreiber die Absicht,<br />

durch eine Schilderung des Elends die Betroffenheit der Leser zu wecken. Es<br />

mehrten sich aber auch konkrete Spendenaufrufe wie beispielsweise dieser aus dem<br />

„Anzeigeblatt des Kreises Grünberg“ nach einem Hagelgewitter in Grünberg im<br />

Landkreis Gießen vom 14. Juli 1866:<br />

„[…] Hülfe, ausreichende Hülfe, besonders für die Aussaat, von welcher<br />

eine neue Ernte abhängt, ist hier ein dringendes Gebot der<br />

Nächstenliebe. Möchten die, von den schrecklichen Folgen dieses<br />

Gewitters verschont gebliebenen Gemeinden von dem diesjährigen<br />

Ernte-Segen, unter der Leitung ihrer Obrigkeit, sammeln! Der Gemeindevorstand<br />

zu Rüddingshausen wird die eingehenden Gaben an<br />

Früchten oder Geld mit Dank annehmen und an die Armen verteilen,<br />

welche ohnehin schon Mangel leiden und nun erst im nächsten<br />

Winter, ohne Saatfrucht und ohne Brod, einem traurigen Schicksal<br />

entgegengehen.“ 12<br />

Weiterhin wurde vielerorts aber auch durch regelmäßige Mitteilungen über den<br />

aktuellen Spendenstand und die Auflistung der Spender die „Spendenwelle“ angetrieben<br />

und somit der Druck auf weitere potenzielle Spender verstärkt.<br />

Als wesentliche Antriebsmittel zur Spendenbereitschaft lassen sich im 19.<br />

Jahrhundert jedoch noch weitere Faktoren anführen: Da wäre zum einen die Gegenseitigkeit<br />

des Spendensystems, denn es wurde häufig darauf hingewiesen, dass<br />

nur wer ebenfalls zu Spenden bereit war, im <strong>Katastrophen</strong>fall ebenfalls die Unterstützung<br />

anderer Spender erhielt. Des Weiteren wurde der Aufruf zu Spenden<br />

religiös gerechtfertigt, da Solidarität zu den moralischen Pflichten eines Christen<br />

gehöre. Dabei lässt sich auch den Geistlichen die Aufgabe zuschreiben, die Kirchgänger<br />

zu Spenden anzuhalten, obgleich es sich in diesem Zusammenhang häufig<br />

um aufgeklärte Prediger handeln musste, denn die Darstellung der Betroffenen als<br />

unschuldige Opfer bewirkte doch ein höheres Spendenaufkommen, als die von<br />

sündhaften Menschen.<br />

Die Bewältigung von Hagel und Gewitter ist bereits im Rahmen der geistigreligiös<br />

orientierten Krisenbewältigung angesprochen worden. Doch dies stellt<br />

nicht die einzige Möglichkeit dar. Denn auch die Elementarversicherung und im<br />

speziellen die Hagelversicherung lässt sich als eine Bewältigungsstrategie (materieller<br />

Art) verstehen, auch wenn sie im Gegensatz zu den nachsorgenden Spendensammlungen<br />

eine präventive Strategie darstellt.<br />

Relativ spät, in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und Anfang des 19.<br />

Jahrhunderts, begann sich das deutsche Hagelversicherungswesen zu entwickeln.<br />

12 Anzeigeblatt des Kreises Grünberg Nr. 64 (14.08.1866), zitiert nach Gudd: Schwere Gewitter,<br />

S. 167.<br />

19

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