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Katastrophen machen Geschichte - oapen

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Reinhard Bodner<br />

„Man nimmt der Natur etwas und macht daraus etwas. Das war so direkt, das war<br />

archaisch irgendwie, das hat man verstanden. Es gibt die Bauern, die Fischer und<br />

die Bergleute.“ 66 Zugleich werden aber auch Analogien zum modernen Streben<br />

nach Naturbeherrschung hergestellt, wie etwa zum Alpinismus: „Wenn du einmal<br />

im Berg drinnen bist, das ist das Gleiche wie wenn du Bergsteiger bist: Jeder sagt,<br />

er hat den Berg bezwungen. Aber eigentlich ist es so: Der Berg hat dich hinauf<br />

gelassen und wieder herunter.“ 67<br />

Dem Entfremdungsverhältnis zur Natur, das den Bergleuten von ihren Kritikern<br />

unterstellt wurde, antwortet damit ein „demütiges“ Bild von Natur als Primärerfahrung.<br />

Dieses kontrastiert nicht nur mit dem akademischen Wissen verschiedener<br />

Felssturz-Gutachter, die den Berg mitunter nie von innen gesehen hätten,<br />

sondern legitimiert auch eine Zurückweisung der Felssturz-Schuldzuweisung,<br />

die als Ausdruck von Unwissenheit eines Teils der Anrainer angesehen wird: Die<br />

alteingesessenen Bauern, die mit dem Bergbau aufgewachsen seien, hätten mit der<br />

natürlichen Steinschlaggefahr am Eiblschrofen ebenso umzugehen gewusst wie die<br />

Bergleute. Hingegen hätten die Neuzugezogenen und die Verantwortlichen für die<br />

Bauland-Freigabe diese Gefahr verkannt und außerdem den Bezug zur Bergbaugeschichte<br />

verloren. 68 Wie die Kritiker des Bergbaus postulieren damit auch seine<br />

Anhänger einen historischen Bruch, der statt in der Bergbau- jedoch in der Siedlungsgeschichte<br />

verortet wird, und verknüpfen damit eine moralisierende Botschaft:<br />

Die Metapher von der rächenden Natur findet ihren Gegenentwurf, wenn<br />

auf die Bestrebungen der Stadtgemeinde, ein sicheres Leben am Eiblschrofen zu<br />

ermöglichen, die Erwiderung folgt, „daß es in einer Welt, die technisch beherrschbar<br />

scheint, immer noch den Souverän Natur gibt, der sich durch Menschenhand<br />

weder beeinflussen noch bezwingen lässt“. 69<br />

4.3 Der „Sieg über die Naturgewalten“ und sein Preis<br />

Gerade die Utopie der technisch beherrschbaren Natur war es aber, die in manchen<br />

Verhaltens- und Argumentationsmustern auf beiden Seiten mehr oder weniger<br />

unbewusst zu einer „Obsession des faktischen Beherrschtseins der Natur“ 70<br />

wurde: So feierte die Stadtgemeinde nach der Fertigstellung der Dämme bei einem<br />

66 Aussage eines Bergmanns bei einer Exkursion des Spezialforschungsbereichs HiMAT zum Thema<br />

„Die Felsstürze am Eiblschrofen aus volkskundlich-kulturwissenschaftlicher Sicht“ am 24.01.2009.<br />

67 IS 2 (16.10.2007), männl., Jg. 1956; die kursiven Hervorhebungen drücken Betonungen aus.<br />

68 Vgl. etwa IS 2 (14.08.2007), männl., Jg. 1955.<br />

69 Wirtschaft im Alpenraum (Innsbruck), November 1999.<br />

70 Engels, J. I. (2003): Vom Subjekt zum Objekt. Naturbild und Naturkatastrophen in der <strong>Geschichte</strong><br />

der Bundesrepublik Deutschland. In: Groh, D. / Kempe, M. / Mauelshagen, F. (Hg.): Naturkatastrophen.<br />

Beiträge zu ihrer Deutung, Wahrnehmung und Darstellung in Text und Bild von der Antike<br />

bis ins 20. Jahrhundert, Narr: Tübingen (= Literatur und Anthropologie, Bd. 13), S. 119-142, hier<br />

141; Hervorhebung im Original.

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