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Katastrophen machen Geschichte - oapen

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Patrick Masius<br />

tur für <strong>Katastrophen</strong>fälle verantwortlich <strong>machen</strong>. 48 Ende des 19. Jahrhunderts<br />

wurden die extremen und außergewöhnlichen Niederschläge ‚gebetsmühlenartig‘<br />

immer wieder als alleinige Ursache des Rheinhochwassers herausgestellt. Als eine<br />

Ursache, gegen die man nichts tun könne. Die Flusskorrekturen und die Entwaldungsproblematik,<br />

die in Zusammenhang mit den Ereignissen gebracht wurden,<br />

konnten so als Ursachen, die man hätte verantworten müssen, zurückgewiesen<br />

werden. Blackbourns These, dass es in den 1880er Jahren „common sense“ war,<br />

jegliche Negativwirkungen früherer Wasserbauprojekte abzustreiten 49, ist nach<br />

meiner Ansicht eine unzulässige Vereinfachung der tatsächlichen Situation. Politische<br />

und wissenschaftliche Debatten sowie das Medienecho waren durchaus kontrovers<br />

in dem Punkt. Allerdings war die politische Führung im engeren Sinne<br />

sowie führende Wissenschaftler darauf bedacht, jede Kritik als unwissenschaftlich<br />

und unbegründet erscheinen zu lassen. In wissenschaftlichen Kreisen wurde eine<br />

Kritik an den Wasserbauprojekten entweder von unabhängigen Privatiers (Touchon),<br />

ausgedienten Bauingenieuren (Diek) oder aber Anonym geäußert. Letzteres<br />

ist ein klares Anzeichen dafür, wie viel Druck in wissenschaftlichen Kreisen auf der<br />

Thematik lag; und dieser Druck rührte nicht zuletzt von der politischen Obrigkeit<br />

her. 50 Es war aber nicht so, dass die Obrigkeit die wissenschaftliche Kritik vollkommen<br />

ignorierte. So bekam der zuständige Minister für Landwirtschaft, Domänen<br />

und Forsten vom Kaiser den Auftrag, ihm eine Stellungnahme zu eben dem<br />

kritischen Artikel, der Anonym veröffentlicht wurde, zukommen zu lassen.<br />

Minister Lucius war in seinem Bericht darauf bedacht, die Organisation des<br />

Wasserbauwesens in Preußen zu verteidigen sowie die Ursachenfrage mit Rückgriff<br />

auf Max Honsells Argument zu besprechen. In Bezug auf Anregungen zur Waldpolitik<br />

und praktische Hochwasserschutzmaßnahmen, meint Lucius, dass die staatliche<br />

Macht begrenzt sei, nicht alles durchführbar wäre, und dass alles Mögliche<br />

sowieso schon getan werde. Den staatlichen Ankauf von privaten Waldgebieten<br />

und die Verhandlung internationaler Verträge zum Waldschutz, meint er, könne<br />

mit den zur Verfügung stehenden finanziellen und Macht-Mitteln wohl kaum entsprochen<br />

werden. Er gibt an, dass „auf dem betretenen Wege“ die Staatsverwaltung<br />

fortschreiten wird und „den beklagten Uebelständen durch Aufforstung von<br />

Oedländereien, Verhinderung der Waldverwüstungen und Hinwirkung auf eine<br />

geregelte Communal-Forstverwaltung, sowie durch die Anlage von Wasserreservoirs,<br />

Vermehrung und Verbesserung der Wiesen innerhalb der fiskalischen Län-<br />

48 Ebd.<br />

49 Blackbourn, D. (2006): The Conquest of Nature. Water, Landscape, and the Making of Modern<br />

Germany. Jonathan Cape: London, S. 109.<br />

50 Dies ist umso erstaunlicher, weil Tulla – der Vater der Oberrheinkorrektur – selbst die Negativwirkungen<br />

vorausgesehen hatte – jedenfalls unter der Prämisse, dass im Mittellauf kein geeigneter Abfluss<br />

geschaffen wird (und dies war nicht geschehen). Vgl. Tulla 1825 in Schua, L. / Schua, R. (1981):<br />

Wasser. Lebenselement und Umwelt. Die <strong>Geschichte</strong> des Gewässerschutzes in ihrem Entwicklungsgang<br />

dargestellt und dokumentiert, Alber: Freiburg / München. S. 137 ff.

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