Katastrophen machen Geschichte - oapen
Katastrophen machen Geschichte - oapen
Katastrophen machen Geschichte - oapen
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Ein „Zusammenhang von oben und unten“?<br />
Fest einen „Sieg über die Naturgewalten“ 71, der aufgrund des Gemeinschaftsgefühls<br />
der Bevölkerung möglich geworden sei. Im „Krieg gegen den Berg“, an dem<br />
sich auch das österreichische Bundesheer beteiligt hatte, habe der Mensch die Oberhand<br />
behalten, und modernste Technik sorge nun für die „permanente Überwachung“<br />
des Eiblschrofen: „Wir haben ihn im Griff“ 72, wurde verlautbart, als könne<br />
künftig jede gefährliche Eigendynamik ausgeschlossen werden. Dabei verdrängt die<br />
Vorstellung von der naturwissenschaftlich-technischen Domestizierbarkeit der<br />
Natur einerseits jene kulturelle Niederlage, die darin bestanden hätte, dass der<br />
Mensch und die Technik den Felsstürzen hilflos gegenübergestanden wären. Andererseits<br />
erzwingt sie eine kulturelle Niederlage, indem das Ereignis auf ein Versagen<br />
des Bergbaus zurückgeführt wird. Der „Sieg über die Naturgewalten“ ist nur<br />
um den Preis zu haben, dass mit dem Dolomitabbau „für ewige Zeiten“ 73 Schluss<br />
gemacht wird; auch wenn dieses Ende durch ein Bekenntnis zur Musealisierung<br />
des Silberabbaus in einem Schaubergwerk abgemildert schien.<br />
Dem hielt die Bergbau-Community in mehreren Protestaktionen ihre Vision<br />
eines auch künftig dauerhaften Dolomitabbaus entgegen: Die Lagerstätte sei noch<br />
lange nicht erschöpft, und das Motto des Betriebs, „Dolomit für immerdar!“ 74,<br />
habe seine Gültigkeit nicht verloren. Aufgrund der Nachfrage nach dem Gestein<br />
als Straßenbaumaterial komme eine Schließung des Bergwerks einer ökonomisch<br />
fahrlässigen Vergeudung von Ressourcen gleich, ja mehr noch: sie sei als fragwürdiger<br />
Rückfall in einen vorzivilisatorischen Zustand anzusehen. Diesem negativ<br />
konnotierten „Zurück zur Natur!“ gegenüber schien der Bergbau für ein erfolgreiches<br />
„Machet Euch die Erde untertan!“ zu stehen: Der Berg sei mit einer Maschine<br />
vergleichbar – und die Bergleute mit Technikern, die die Tücken dieser Maschine<br />
besser im Griff hätten als ungebildete Laien, argumentierte einer der Interviewpartner.<br />
75 Der Preis, der für diese technische Naturbeherrschung zu zahlen ist,<br />
wird als relativ akzeptabel dargestellt: Die Staub- und Lärmentwicklung an der<br />
Oberfläche könne gering gehalten werden. Was aber den untertägigen Schotterabbau<br />
betreffe, so sei er besonders „umweltschonend“, weil er der Natur im Unterschied<br />
zu obertägigen Steinbrüchen „keine erkennbaren Wunden“ schlage und das<br />
„Landschaftsbild“ nicht beeinträchtige. 76 Die kulturelle Niederlage, die in diesen<br />
Denkmustern tendenziell unterdrückt wird, besteht in der Einsicht in die unver-<br />
71 Brennpunkt Schwaz (Schwaz), 25.11.1999.<br />
72 Die Presse (Wien), 14.07.1999; Tiroler Tageszeitung (Innsbruck), 04.12.1999; Die Presse (Wien),<br />
20.11.1999.<br />
73 IS 1 (05.09.2007), männl., Jg. 1936.<br />
74 Bauer , J. R. (1997): Episoden aus dem Bergbau in Schwaz. In: 1. Tiroler Bergbauarchäologischer<br />
Verein (Hg.): Knapp’n-Hoagat. Festschrift zum Schwazer Bergbausymposium, Selbstverlag 1. Tiroler<br />
Bergbauarchäologischer Verein: Schwaz, ohne Paginierung.<br />
75 IS 2 (16.10.2007), männl., Jg. 1956.<br />
76 Diese Argumente wurden in der IS 2 wiederholt aufgegriffen. Vgl. ähnlich u.a. schon Hörhager, P.<br />
(1981): Der Schwazer Bergbau heute. Schottergrube oder schlummernder Silberberg? In: Schwazer<br />
Heimatblätter, Jg. 11, H. 8-9, S. 17-19, hier 17.<br />
189