Katastrophen machen Geschichte - oapen
Katastrophen machen Geschichte - oapen
Katastrophen machen Geschichte - oapen
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
58 Sarah Schmitz<br />
Land schließlich längerfristig umverteilt, wobei die gestiegene Bedeutung der<br />
Beduinen berücksichtigt wurde.<br />
Bei den Beduinen dagegen ist vornehmlich eine Neugewinnung von<br />
Ressourcen zu beobachten. Dabei kam ihnen zugute, dass ihre Arbeitskraft<br />
weniger geschwächt war als die der Sesshaften, besonders was die militärische<br />
Schlagkraft betraf. Sie wurden zusätzlich gestärkt durch das Privileg Waffen tragen<br />
zu dürfen und Reittiere zu besitzen. 69 Diese Ressource schienen sie in Krisenzeiten<br />
vermehrt einzusetzen. Al-Maqrizi kommentiert zunehmende Fälle von Straßenraub<br />
durch Beduinen im Jahr 1349 folgendermaßen: „Als sich das Unglück (fana') unter<br />
ihnen ereignete, brausten sie auf, wie es ihre Gewohnheit ist.” 70<br />
Einzelne beduinische Gruppen strebten aktiv danach, neue Ressourcen zu<br />
erschließen; besonders in Form einer Ausdehnung des Weidelandes. Dazu trafen<br />
sie den Ackerbau im Niltal gewissermaßen an seiner Achillesferse, indem sie<br />
Dämme und Kanäle zerstörten oder Schlüsselpunkte des Kanalsystems besetzten. 71<br />
Durch die Zerstörung dieser Anlagen konnte die Bewässerung nicht mehr<br />
gewährleistet werden; es wuchs Klee, der für die beduinischen Herden eine reiche<br />
Weide bot. 72 Die häufigste ägyptische Kleeart war barsim, Alexandrinische<br />
Luzerne (Trifolium alexandrinum). Sie benötigt wesentlich weniger Wasser als<br />
andere Feldfrüchte, wie z.B. Reis oder Zuckerrohr, nämlich 6000 Kubikmeter pro<br />
Hektar. Reis benötigt dagegen 24.000 und Zuckerrohr sogar 40.000 Kubikmeter<br />
pro Hektar. 73 Ackerland wurde so zu Weideland, das nicht auf ein funktionierendes<br />
Bewässerungssystem angewiesen war. Die Schwächung nicht nur der Dörfer,<br />
sondern möglicherweise auch des mamlukischen Militärs während der Pest führten<br />
dazu, dass die Beduinen in Krisenzeiten ihre Angriffe auf Bewässerungsanlagen<br />
verstärkten. War Ackerland einmal zu Weideland umfunktioniert worden, war dies<br />
nur mit großem Aufwand wieder rückgängig zu <strong>machen</strong>. 74<br />
Wie bereits angesprochen, bekamen Beduinen darüber hinaus verstärkt<br />
Ländereien von der Regierung direkt übertragen, im Gegenzug für bestimmte<br />
Aufgaben wie Kontrolle von Handelswegen oder Bereitstellung von Pferden oder<br />
Kamelen. Fand damit tatsächlich eine „Beduinisierung“ des Landes statt? 75 Dies<br />
69 Vgl. Rapoport: Invisible peasants, S. 11.<br />
70 Al-Maqrizi: Suluk, S. 798. Der Begriff fana’ (Untergang, Vergehen, Dahinschwinden) erscheint<br />
häufig im Zusammenhang mit der Pest und anderen Seuchen, kann aber auch allein für sich stehen.<br />
Er verweist auf eine für die Bevölkerung leidvolle und krisenhafte Situation. Vgl. Dols, Black Death,<br />
S. 316; Shoshan: Notes, S. 395, 396, 397.<br />
71 Vgl. Ayalon, Auxiliary Forces, S. 35 f.; Borsch, Black Death, S. 51; al-Maqrizi, Suluk, S. 833.<br />
„Zerstörung fruchtbaren Landes“ (kasr al-mughill).<br />
72 Vgl. Borsch: Black Death, S 51.<br />
73 Vgl. Ibrahim, F./Ibrahim, B. (2006): Ägypten, Wissenschaftliche Buchgesellschaft: Darmstadt, S.<br />
103, 105, Tab. 9.6.<br />
74 Vgl. Conrad: Pest, S. 108.<br />
75 Vgl. Garcin: Regime, S. 315; Borsch: Black Death, S. 51. Michel: Villages, S. 231, setzt die These<br />
dagegen, Beduinenscheichs seien zwar durch die Vergabe von Ländereien in den Staatsapparat der<br />
Regierung aufgenommen worden, insgesamt gesehen hätten die beduinischen Bevölkerungsgruppen