Katastrophen machen Geschichte - oapen
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Reinhard Bodner<br />
in den 1970er- und den 1980er-Jahren eine Reihe von nichtlandwirtschaftlichen<br />
Gebäuden, von Ein- und Mehrfamilienhäusern. Aufgrund der lange Zeit uneingeschränkten<br />
Vergabe von Baubewilligungen rückte die Siedlung in immer größere<br />
Nähe zum Bergwerksareal, dehnte sich aber auch in Richtung des Eiblschrofen<br />
aus. Bergleute und Bauern erhielten so Gesellschaft durch „Zugezogene“, vorwiegend<br />
aus den mittleren Sozial- und Bildungsschichten, die größtenteils in der gewerblichen<br />
Industrie und im Dienstleistungssektor tätig waren. Ob die gesamte<br />
Siedlung im Wissen um die Nachbarschaft zum Bergbau und um die Steinschlag-<br />
und Felssturzgefahr errichtet wurde, kann pauschal nicht beantwortet werden. Es<br />
bestand jedenfalls keine Gefahrenzone, 24 und Ried galt als gute Wohngegend. Die<br />
Grundstückspreise waren zum Teil teurer als anderswo. Lediglich jene Häuselbauer,<br />
die sich in unmittelbarer Nähe des Bergwerks niederließen, hatten ihr Grundstück<br />
relativ günstig erworben. Mehrere von ihnen erhofften sich ein baldiges Ende<br />
des Bergbaus, der im Ruf stand, unrentabel zu sein. Doch zu dessen Schließung<br />
kam es erst 1999 – und nicht aus primär ökonomischen Erwägungen, sondern<br />
aufgrund einer plötzlichen Wende der Verhältnisse vor Ort.<br />
3 „Oberflächner“ und „Underground-Community“. Die<br />
Felsstürze von 1999, die Evakuierung von Ried und die<br />
Bergwerksschließung<br />
Ein leises Rauschen, das beim Mittagsschlaf durchs Fenster dringt, ein lauter werdendes<br />
Geräusch, das an einen Hubschrauber erinnert, Steinblöcke, die „wie eine<br />
Schaufensterscheibe“ in sich zusammenbrechen, Baumstämme, die „wie Zündhölzer<br />
durch die Luft“ 25 fliegen, und eine Staubwolke, die den ganzen Ort einhüllt:<br />
Akustische und optische Erinnerungsbilder dieser Art sind vielen Anwohnerinnen<br />
und Anwohnern von Ried präsent, wenn sie sich den frühen Nachmittag des 10.<br />
Juli 1999 ins Gedächtnis rufen.<br />
Um 14 Uhr 42 kam es zu einem ersten großen Gesteinsabbruch vom Eiblschrofen.<br />
Dieses Ereignis war der Auftakt einer Felssturzserie, die den Berg mehrere<br />
Wochen lang nicht zur Ruhe kommen ließ und das Ausmaß der letzten örtlichen<br />
Gesteinsbewegungen in den 1980er- und 1990er-Jahren deutlich überstieg.<br />
Mehrere zehntausend Kubikmeter Gestein stürzten talwärts, zogen zwei Schneiden<br />
durch den Schutzwald und zerfielen zu Geröll, das oft erst knapp oberhalb von<br />
bewohntem Gebiet zum Stillstand kam und am Fuß des Bergs einen Schuttkegel<br />
bildete. Aufgrund der Bewegungsart und Größe des Gesteins verwendeten Geologen<br />
den Felssturzbegriff zur Beschreibung des Geschehens, 26 der sich auch im<br />
24 Dem österreichischen „Gefahrenzonenplan“ zufolge ist die Errichtung von Zonen mit Bauverboten<br />
oder -einschränkungen ausschließlich mit Blick auf Wildbach- und Lawinengefahren vorgesehen.<br />
25 IS 1 (20.08.2007), weibl., Jg. 1942.<br />
26 Zur gegenwärtigen Terminologie in der Ingenieursgeologie vgl. etwa Hauer: Tod, S. 14-15.