Katastrophen machen Geschichte - oapen
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Ein „Zusammenhang von oben und unten“?<br />
Das Ziel dieser Privatgesellschaft, die 1873 in Ried einen neuen Erbstollen anschlug,<br />
bestand darin, bisher unerschlossene Erzreserven zu gewinnen. Weil dies<br />
aber nur zum Teil gelang, erlebte der Dolomit, der das Erz als Gangmasse umschließt,<br />
eine bemerkenswerte Aufwertung: Der Schotterabbau, 1858 erstmals<br />
vertraglich vereinbart, 18 wurde in den 1920er-Jahren intensiviert und stellte seit<br />
Anfang der 1930er-Jahre ein Überleben des Betriebs in Zeiten niedriger Metallpreise<br />
sicher. Das einstige Abfall- und Nebenprodukt entwickelte sich so zum Wertstoff,<br />
der aufgrund seiner Härte, seines Verschleißverhaltens und seiner Frostbeständigkeit<br />
als Straßenbaumaterial geeignet war.<br />
Aber auch wenn damit höhere Preise erzielt werden konnten als mit herkömmlichem<br />
Steinbruchschotter, erwies es sich als „kostspieliges Verfahren […],<br />
einen Bergbau zu erhalten, indem man Schotter im Grubenbetrieb gewinnt“ 19. Der<br />
Rohstoff musste deshalb in großen Mengen und möglichst kostengünstig abgebaut<br />
werden. Nachdem die verstaatlichte Kupferhütte der „Montanwerke Brixlegg Ges.<br />
m. b. H.“ 1959 die Schürfrechte übernommen hatte, wählte man dafür eine unkonventionelle,<br />
aber zweckmäßige Methode: Durch Spreng- und Bohrarbeit wurden<br />
im Berginneren mehrere trichterförmige Hohlräume hochgebrochen, die sich<br />
nach oben weiteten und eine Höhe von über 200 Metern erreichten. Der verbleibende<br />
„Überbau“ bis zur Tagoberfläche war bis zu 400 Meter dick, jedoch von<br />
zahlreichen Stollen des „Altbergbaus“ durchörtert. Das Gestein, dessen Herabbrechen<br />
mit geringem Sprengstoffaufwand und unter Nutzung der Schwerkraft ausgelöst<br />
werden konnte, wurde durch den Erbstollen des früheren Erzabbaus hindurch<br />
nach obertage gefördert, gebrochen und klassiert und zum Großteil vor Ort, in<br />
einer Heißasphaltmischanlage, weiterverarbeitet. 20 Seit den 1960er-Jahren steigerten<br />
sich die Fördermengen deutlich, je nach Absatzsituation wurden jährlich zwischen<br />
100.000 und 140.000 Tonnen zutage gefördert. 21 Die Grube war meist einschichtig<br />
belegt, wobei das Personal aus Rationalisierungsgründen mehrmals reduziert<br />
worden war. Zählte der „Kleinstbetrieb“ 22 nach seiner Wiedereröffnung 1946<br />
noch um die 40 und in den 1950er-Jahren an die 30 Mitarbeiter, waren zum Zeitpunkt<br />
der Schließung noch 18 Personen darin tätig. 23<br />
Im selben Zeitraum vergrößerte sich die Bevölkerung von Ried erheblich: Hatten<br />
sich im näheren Umkreis des Bergwerks bis in die 1950er-Jahre noch vorwiegend<br />
Unterkünfte von Bergleuten und einzelne Bauernhöfe befunden, entstanden<br />
18 ABhI, Sign. Z. 414, 27.06.1858, „Schottergewinnung am Erbstollen“.<br />
19 Hofer, K.-D. (1970): Tiroler Bergbau, Universitätsverlag Wagner: Innsbruck 1970 (= Beiträge zur<br />
alpenländischen Wirtschafts- und Sozialforschung, Bd. 96), S. 32.<br />
20 Vgl. dazu ausführlich Haun, M. (2000): Anwendung von Schwazer Dolomit als Gießereisand,<br />
Unveröffentlichte Klausurarbeit: Leoben, S. 5-13.<br />
21 AMB, Ordner „Betriebspläne Bergbau Falkenstein“.<br />
22 Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau (Hg.) (1955): Der österreichische Bergbau 1945-<br />
1955, Selbstverlag Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau: Wien, S. 79.<br />
23 Vgl. ebd., S. 81-82, sowie ABhI, Ordner „Betriebspläne Bergbau Falkenstein“’, „Akten BPl.<br />
Schwaz von 1958-1971“, „BPl. Schwaz 1972-1985“ und „BPl Schwaz 1986-1996“.<br />
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