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Katastrophen machen Geschichte - oapen

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Torsten Meyer<br />

führte Wolf Helmhard von Hohberg beispielsweise aus, 22 dass sich die Bekämpfung<br />

des Grünspechts nicht nur auf seinen Abschuss beschränken solle. Effizienter<br />

wird die Bekämpfung wenn seine Nester ausgenommen werden: „Sonderlich soll<br />

man im Sommer, im Junio, ihren Nestern, die sie in den hohlen Bäumen <strong>machen</strong>,<br />

nachspüren, und des Nachts Jung und Alte miteinander fangen; dieser närrische<br />

Vogel verräthet sich auch selbst leichtlich, wo er im Holtz seinen Aufenthalt hat,<br />

dann er klopft mit seinem Schnabel so lautschällig an die faulen Bäume, daraus er<br />

die Holtzwürmer klaubet und frisset, als spräche er: da, da, da, daß man ihn auf<br />

zwey- oder dreyhundert Schritt hören, dem Hall nachgehen und also leicht schiessen<br />

kann; und in selbiger Gegend, nicht weit, wo etwan ein hohler Baum sich findet,<br />

da wird man auch sein Nest bals ausspühren können.“ 23 So unzweifelhaft für<br />

Hohberg, und nicht nur für ihn, 24 war, dass der Grünspecht der natürliche Feind<br />

der Holzwürmer ist, man ihn angesichts der Bedeutung des Waldes für die frühneuzeitliche<br />

Gesellschaft als schützenswert einschätzen dürfte, konnte dies dem<br />

Grünspecht nicht vor tödlichen Nachstellungen bewahren. Vertraten doch die<br />

Autoren der Hausväterliteratur die Auffassung, dass er zugleich der Feind der Bienen<br />

sei. Die Produktion des Honigs, ein kostbarer Süßstoff der Vormoderne, damit<br />

also gefährdet. Ebenso auf die Tötung agrarischer „Schädlinge“ zielte der im<br />

Genre propagierte Einsatz von Fraßgiften und Räuchermitteln. 25 Was sich mithin<br />

bereits in der Hausväterliteratur abzeichnet, ist jene Nutzen-Schadens Bilanzierung<br />

des spezifischen agrarischen „Schädlings“, die ihre ‚volle Blüte‘ allerdings erst im<br />

18. Jahrhundert in den kameralistischen und staatswirtschaftlichen Texten entfalten<br />

sollte.<br />

2.2 Der kameralistisch-verwaltende Blick auf den agrarischen „Schädling“<br />

– das Beispiel der „gemeinnützigen Naturgeschichte“<br />

Adressierten die Traktate des Genres der Hausväterliteratur an den Landadligen<br />

bzw. seit dem 18. Jahrhundert auch nicht-adligen Grossbauern, 26 so lassen sich<br />

zwei konstitutive Charakterzüge festhalten. Zum einen können sie in ökonomischer<br />

Sicht als ‚betriebswirtschaftlich‘ bezeichnet werden, kreisten doch die Leitsätze<br />

um das sozio-ökonomische Wohlergehen des ‚Ganzen Hauses‘. 27 Zum anderen<br />

fokussierten sie räumlich auf die Äcker, Felder, Wiesen und Wälder des Adres-<br />

22 Zur Biographie vgl.: Brunner, O. (1949): Adeliges Landleben und europäischer Geist. Leben und<br />

Werk Wolf Helmhards von Hohberg 1612-1688, Müller: Salzburg.<br />

23 Hohberg: Georgia Curiosa, S. S. 433, zit. nach: Grau, W. (1971): Schädlinge der Landwirtschaft und<br />

Maßnahmen zur landwirtschaftlichen Schädlingsbekämpfung in der deutschen Hausväterliteratur.<br />

Diss. Stuttgart-Hohenheim, S. 45.<br />

24 Grau: Schädlinge, S. 45.<br />

25 Vgl. ebd., S. 48-50.<br />

26 Dipper, C. (1991): Deutsche <strong>Geschichte</strong> 1648-1789, Suhrkamp: Frankfurt am Main, S. 136-137.<br />

27 Kategorial grundlegend immer noch: Brunner, O. (1968): Das „ganze Haus“ und die alteuropäische<br />

„Ökonomik“. In: Brunner, O.: Neue Wege der Verfassungs- und Sozialgeschichte, Vandenhoek &<br />

Ruprecht: Göttingen, S. 103-127 (zuerst: 1956).

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