Katastrophen machen Geschichte - oapen
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Verena Twyrdy<br />
In den 1820er Jahren kam es dann zu einer geschäftsmäßigen Ausbreitung der<br />
Hagelversicherung über ganz Deutschland. 13 Als Hauptgrund für diese Entwicklung<br />
lässt sich anführen, dass religiöse Vorstellungen der Entwicklung nicht mehr<br />
entgegen wirkten. 14 Denn eine Hagelversicherung konnte sich selbstverständlich<br />
nicht entfalten, solange die Bevölkerung das Hagelwetter als göttliche Bestrafung<br />
für ihr sündhaftes Verhalten annahm. Denn aus diesem Blickwinkel betrachtet<br />
würden sich Hagelgewitter oder die „Tatpredigten“ Gottes allgemein demnach<br />
auch durch Buße und Verhaltensbesserung aufhalten und abmildern lassen. Auch<br />
weitere Abwehrmaßnahmen, wie zum Beispiel das Hagelschießen (vergleichbar mit<br />
dem Wetterläuten), wirkten sich hemmend auf die Entwicklung der Hagelversicherung<br />
aus. So kam es auf die Urteilskraft des Einzelnen an, ob der Versicherungsschutz<br />
für die eigene Wirtschaft nützlich war oder nicht. Im Gegensatz zum Spendensystem,<br />
das ja lediglich auf wechselseitigen Hilfeleistungen beruht und dessen<br />
Volumen auch stark abhängig von der <strong>Katastrophen</strong>kommunikation war, so bestand<br />
im Falle eines Versicherungsabschlusses hingegen ein Anspruch auf die volle<br />
Ersetzung der im Versicherungsvertrag abgedeckten Güter. So erschien den Zeitgenossen<br />
der durch die Versicherung ermöglichte Risiko- und Finanzausgleich<br />
auch fairer und zuverlässiger als das vorangegangene Spendenwesen. Ebenso förderte<br />
die Aufhebung der alten Flurverfassung die Verbreitung der Elementarversicherung,<br />
„denn erst in dem Augenblick, wo der abhängige Bauernstand zu einer<br />
selbstständigen Erwerbsgruppe wird, […] wird der Schutz gegen unverschuldete<br />
Vermögenseinbußen zur selbstverständlichen Voraussetzung einer rentablen Wirtschaftsführung.“<br />
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Die Entwicklung des Versicherungsgedanken ist als eine weit fortgeschrittene<br />
Form der Bewältigung in der Frühen Neuzeit zu bewerten, die sogar vorbeugende<br />
Maßnahmen einschließt. Daraus ließe sich zum einen schließen, dass der Wissensstand<br />
über die Entstehung natürlicher Phänomene und Prozesse auch in der breiten<br />
Bevölkerung bereits weit fortgeschritten war. Andererseits ist insbesondere das<br />
Phänomen Hagel auch als eines zu bewerten, das aufgrund seines häufigen Auftretens<br />
möglicherweise weniger als göttliche Bestrafung gedeutet wurde.<br />
3.3 Technisch orientierte Bewältigung<br />
Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein waren die technischen Möglichkeiten, Naturkatastrophen<br />
abwenden zu können, in manchem Fall stark beschränkt, andererseits<br />
ließ es auch die religiöse Deutung von Naturkatastrophen als göttliche Strafe nicht<br />
zu, in das Geschehen einzugreifen. So fragten die frommen Leute: „Womit soll<br />
13 Rohrbeck, W. (1908): Der Hagelversicherungsvertrag nach dem Reichsgesetze über den Versicherungsvertrag<br />
und einem zugehörigen Einführungsgesetze. Naumburg, S. 3.<br />
14 Rohrbeck, W. (1917): Die deutsche Hagelversicherung. Rückblick und Ausblick. (= Wirtschaft und<br />
Recht der Versicherung 49), Köln, S. 10.<br />
15 Rohrbeck: Hagelversicherung, S. 23.