Katastrophen machen Geschichte - oapen
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2 Zur Deutung von Naturkatastrophen<br />
Verena Twyrdy<br />
In historischer Zeit lassen sich zwei grobe Richtungen feststellen, innerhalb<br />
derer eine Naturkatastrophe oder ein Witterungsereignis in den bestehenden<br />
zeitgenössischen Erfahrungshorizont eingeordnet wurde: Zum einen sind das<br />
transzendente, religiöse oder mythologische Deutungsmuster und zum anderen<br />
naturwissenschaftliche Erklärungsansätze. Erstere sehen Naturkatastrophen als<br />
Strafe Gottes für die Sünden der Menschen an und weisen häufig eine moralisierende<br />
Komponente auf. Zum anderen sind damit aber auch magische Deutungsmuster<br />
gemeint, die ebenfalls eine religiöse Komponente beinhalten können<br />
und beispielsweise Hexen für das schlechte Wetter während der Kleinen<br />
Eiszeit verantwortlich machten.<br />
Zu allen Zeiten war man aber auch darum bemüht, die natürlichen und physikalischen<br />
Prozesse, die hinter einer Naturkatastrophe stehen, aufzuzeigen. Dieser<br />
Zugang stand in der Vormoderne meist jedoch nur gebildeten Schichten offen und<br />
so existierten lange Zeit naturwissenschaftliche Erklärungsansätze parallel zu transzendenten<br />
Deutungsmustern.<br />
3 Bewältigungsstrategien<br />
Die Deutung und Erklärung von Naturkatastrophen stellte bei der betroffenen<br />
Bevölkerung eigentlich schon einen ersten Schritt zur (mentalen) Bewältigung des<br />
erlebten Unheils dar, da das Erlebnis der Naturkatastrophe der „Einbettung in<br />
sinnstiftende Erklärungen und symbolische Deutungen“ 1 bedarf.<br />
Im Folgenden werden die Maßnahmen und Strategien behandelt, die nach<br />
Eintreten einer Katastrophe oder aber auch als vorbeugende Maßnahmen von der<br />
betroffenen Bevölkerung ergriffen wurden. Um diese Maßnahmen und Strategien<br />
systematisieren zu können, wurde sich an einem Artikel von Martin Gudd orientiert,<br />
der innerhalb seiner Abhandlung über „Schwere Gewitter im 18. und 19.<br />
Jahrhundert“ 2 eine Einteilung in vier verschiedene Formen der sogenannten „Krisenbewältigung“<br />
vornimmt. Seine Einteilung soll hier nur als grober Rahmen verwendet<br />
werden, der in einigen Punkten noch weiter ausdifferenziert wird. Martin<br />
Gudd unterscheidet vier Formen von Bewältigungsstrategien, eine fünfte Form der<br />
Bewältigung ist eigens hinzugefügt worden:<br />
1 Jakubowski-Tiessen, M. (2003): Gotteszorn und Meereswüten. Deutungen von Sturmfluten vom<br />
16. bis 19. Jahrhundert. In: Groh, D.; Kempe, M. und F. Mauelshagen (Hg.): Naturkatastrophen.<br />
Beiträge zu ihrer Deutung, Wahrnehmung und Darstellung in Text und Bild von der Antike bis ins<br />
20. Jahrhundert. Tübingen, S. 103.<br />
2 Gudd, M. (2005): Schwere Gewitter im 18. und 19. Jahrhundert und ihre Auswirkungen auf die<br />
Kulturlandschaft zwischen Taunus, Spessart, Vogelsberg und Rhön. In: Siedlungsforschung 23,<br />
S. 163 ff.