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Katastrophen machen Geschichte - oapen

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Patrick Masius<br />

weg aus dem Dilemma. Er erklärte, dass man lediglich mittelgroße Hochwasserschäden<br />

bekämpfen könne; „großen <strong>Katastrophen</strong> vorzubeugen, wie sie in jedem<br />

Jahrhundert ein- bis zweimal vorkommen, übersteige die menschliche Kraft“ 55.<br />

Damit war nicht nur gemeint: Es liegt außer dem Bereich menschlicher Kraft solche<br />

elementaren Ereignisse fernzuhalten 56, sondern dass auch die Präventivmaßnahmen<br />

zur Verhinderung von Schäden an ihre Grenzen stoßen. Auch hier wurde<br />

scheinbar ein Haltepunkt in dem Spannungsbogen von Macht (‚unbedingte Prävention‘)<br />

und Ohnmacht (‚unkontrollierbare Naturereignisse‘) eingefügt, wobei<br />

Machtlosigkeit nun durch die Kräfte der Natur ausgedrückt wird und nicht mehr<br />

durch göttliche Hand.<br />

Drei Gründe scheinen mir dafür zu sprechen, dass diese heuristischen Versuche<br />

nicht als ultimative Lösungen eingesetzt werden sollten. Zunächst gilt festzustellen,<br />

dass das Kriterium, nach dem eine Katastrophe in die eine oder andere<br />

Klasse eingeordnet wird, relativ zu ihren Auswirkungen steht und immer nur ex<br />

eventu erfolgt. Eine zerstörerische Katastrophe wird im Nachhinein als „zu groß“<br />

oder als „gottgesandt“ etikettiert. Eine verhinderte Katastrophe als kontrollierbare<br />

Normalflut. Die Größe von solchen antizipierten <strong>Katastrophen</strong> ist also immer<br />

relativ und wird letztendlich am Absolutum des Scheiterns gemessen. Die Deiche<br />

werden aber nicht angelegt, um nur „normale Sturmfluten“ zu verhindern, sondern<br />

um das Land zu schützen. Erst im Falle der Katastrophe, in der sich der Schutz als<br />

untauglich erwiesen hat, wird ex post auf höhere Gewalt verwiesen. Die Gründe<br />

für dieses Vorgehen wurden oben geschildert. Jegliche politischen Intentionen<br />

scheinen aber vollends zu verschwinden, wenn man davon ausgeht, es würden ex<br />

ante keine Schutzmaßnahmen gegen Jahrhundert-, Jahrtausend-, oder Sintfluten<br />

ergriffen.<br />

Zweitens sind diese vermittelnden Äußerungen in den Diskursen randständig.<br />

Die gesamten Diskussionen zu den Rheinhochwassern im Winter 1882/83 sind<br />

durchdrungen von der Diskrepanz zwischen Ohnmacht gegenüber den natürlichen<br />

Ursachen und dem Anspruch, technische Maßnahmen zu ergreifen, ohne dass<br />

diese Diskrepanz reflektiert würde. Lediglich von Max Honsell wird die Relevanz<br />

der Größe angedeutet und einige Jahre später in einem ähnlichen Zusammenhang<br />

von einem Minister durch die Symbolkraft des „Jahrhunderthochwassers“ auf den<br />

Punkt gebracht. Es kann also keinesfalls davon gesprochen werden, dass es sich<br />

um Leitdifferenzen oder zentrale Aspekte der Debatten handelt. Abgesehen davon<br />

wurde oben dargestellt, welche politischen Interessen in dem scheinbar objektiven<br />

Etikett „Jahrhunderthochwasser“ aufgehoben sind.<br />

Drittens unterstellt die Klassifikation nach Größen, dass es sich um eine rein<br />

naturwissenschaftliche (oder theologische) Problematik handelt. Von politischen<br />

oder sozialen Problemen, die bei der Katastrophe eine Rolle gespielt haben kön-<br />

55 Anonymus (1889): Die Abwehr von Ueberschwemmungsgefahren. In: Neueste Mittheilungen,<br />

Jg. 8, H. 16. (26.2.1889 Berlin), S. 1.<br />

56 Vorgriff auf Honsell: Hochwasser-<strong>Katastrophen</strong>.

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