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Katastrophen machen Geschichte - oapen

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Patrick Masius<br />

wortung für die eingetretene Katastrophe abzulenken und für den Fortschritt einzustehen.<br />

Da Gottes Macht weniger Anerkennung fand, wurde auf die besondere<br />

Schwere der Katastrophe in Verbindung mit ursächlichen Naturkräften, die jenseits<br />

menschlicher Kontrolle lagen, hingewiesen. Wenn es sich um Geschehnisse<br />

handelte, die jenseits des Einflussbereiches lagen, dann konnte auch keine Verantwortung<br />

übernommen werden. Deshalb wurden die Ereignisse interessegeleitet<br />

überhöht. Dazu gehörte auch, dass sich die Extremität der Ereignisse möglichst ins<br />

Einmalige erstreckte. Nach dem Rheinhochwasser von 1882/83 geschah dies einmal<br />

durch den Terminus „Jahrhunderthochwasser“. Zum anderen durch die verkürzte<br />

Einordnung in die Hochwassergeschichte am Rhein, so dass die Hochwasser<br />

als die höchsten eisfreien Hochwasser aller Zeiten erschienen.<br />

Lediglich das erste der beiden Hochwasser erreichte an einigen wenigen Pegeln<br />

am Mittelrhein einen Wasserstand der die vorangegangen Hochwasser des<br />

19. Jahrhunderts um ein paar Zentimeter übertraf. Am Kölner Pegel stieg das Wasser<br />

beispielsweise mit 9,52 m um 18 cm höher als bei dem Hochwasser von 1845.<br />

Die herausragende Stellung, die der Begriff Jahrhunderthochwasser suggeriert,<br />

nahm es nicht ein. Das zweite Hochwasser führte zu vielen Deichbrüchen am<br />

Oberrhein und zu ausgedehnten Schäden, erreichte aber nicht die höchsten Wasserstände<br />

des Jahrhunderts. Von Jahrhunderthochwasser wurde in Bezug auf beide<br />

Hochwasser auf allen administrativen Ebenen und auch in der Wissenschaft gesprochen.<br />

Betrachtet man die Einordnung in die Hochwassergeschichte am Rhein, so<br />

wird diese Tendenz weiter verstärkt. In der Hochwasserrezeption Ende des<br />

19. Jahrhunderts bezog man sich in offiziellen Gutachten und Protokollen nur auf<br />

ein Hochwasserereignis, das die Ausmaße des Jahrhunderthochwassers von<br />

1882/83 noch übertraf. Es handelte sich um das Eishochwasser im Februar 1784.<br />

Eine meterdicke Eisschicht hatte sich auf dem Rhein gebildet, die den Abfluss<br />

verstopfte. Als das Eis dann in den letzten Februartagen brach, wurden die Ortschaften<br />

zwischen Koblenz und Köln von einer unsagbaren Überschwemmung<br />

betroffen. Der Pegelstand dieses „Jahrtausendhochwassers“ wurde 1883 mit 12,43<br />

m in Köln angegeben 40, heute geht man von einem Wasserstand zwischen 13,50 m<br />

und 14,50 m in Köln 41 und mehr als 14 m in Bonn aus. 42 Damit übertrafen die<br />

Wasserstände das Hochwasser von 1882/83 um mehrere Meter.<br />

Bemerkenswert ist aber, dass in amtlichen Schriften nicht vor 1784 zurückgegangen<br />

wurde, obwohl frühere Hochwasserereignisse durchaus bekannt waren. Ein<br />

40 Honsell: Hochwasser-<strong>Katastrophen</strong>, S. 23. 1929 wird in einem Gutachten zu den Ursachen der<br />

Rheinhochwasser ein Pegelstand bei Köln von 12,55 m angegeben (Gutachten der preußischen<br />

Landesanstalt für Gewässerkunde (1929), S. 51). Dies entspricht bei heutigem Kölner Pegel 13,55 m.<br />

41 Dikau, R. / Weichselgartner, J. (2005): Der unruhige Planet. Der Mensch und die Naturgewalten,<br />

Primus Verlag: Darmstadt, S. 159.<br />

42 Schmitz, G. (2006): Hochwasser – bei uns doch nicht! In: Studien zur Heimatgeschichte des Stadtbezirks<br />

Bonn-Beuel, Heft 34.

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