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Katastrophen machen Geschichte - oapen

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Phönix und Mnemosyne<br />

Keiner hat den Schock der Katastrophe gültiger und evokativer zur Sprache<br />

gebracht als der Poet Archibald MacLeish (1938), der unter dem Eindruck der<br />

Dust Bowl schrieb: „We wonder whether the dream of American liberty / Was<br />

two hundred years of pine and hardwood / And three generations of the grass /<br />

And the generations are up: the years over […] We wonder whether the great<br />

American dream / Was the singing of locusts out of the grass to the west and the /<br />

West is behind us now:/ We wonder if liberty is done:/ The dreaming is finished.”.<br />

Warum symbolisierten die Staubstürme der 30er Jahre für MacLeish das Ende<br />

des American Dream? Um dies zu verstehen, macht es Sinn, die Ursachen für die<br />

Dust Bowl und den historischen Gesamtzusammenhang näher zu beleuchten.<br />

Im April 1935 fegte ein schwerer Staubsturm über die südlichen Great Plains von<br />

Kansas, Colorado, Oklahoma, Texas und New Mexico hinweg. Innerhalb von<br />

wenigen Tagen verwandelte der Sturm eine Fläche - fast doppelt so groß wie die<br />

der Bundesrepublik Deutschland - in eine trostlose Wüste. Selbst im 2500<br />

Kilometer entfernten New York City verdunkelte der Staub fünf Stunden lang die<br />

Stadt. Bei der „Dust Bowl“ (Staubschüssel), wie das <strong>Katastrophen</strong>gebiet und die<br />

Katastrophe selbst bald genannt wurden, handelte es sich um die in mehrfacher<br />

Hinsicht schwerste Umweltkatastrophe, die den nordamerikanischen Kontinent<br />

seit der europäischen Besiedlung getroffen hatte. Anders als bei den Hurrikanen<br />

oder Tornados hegten die Zeitgenossen in der Folge der Dust Bowl die<br />

Vermutung, dass nicht nur natürliche Faktoren – nämlich eine seit Jahren immer<br />

wiederkehrende Trockenheit – sondern auch menschliche Faktoren – in erster<br />

Linie eine die Erosion befördernde, hochtechnologische Form der<br />

Landbewirtschaftung – die Katastrophe verursacht und ausgelöst haben könnten.<br />

Hunderttausende verloren als Folge der Dust Bowl Katastrophe ihre<br />

Lebensgrundlage. Allein aus Oklahoma wanderten 15 Prozent der Bevölkerung<br />

nach Kalifornien aus, so dass bald alle Auswanderer als „Okies“ bezeichnet<br />

wurden. Die Drastik der Situation kam besonders darin zum Ausdruck, dass die<br />

Prärie seit Anfang des 20. Jahrhunderts einen gewaltigen Aufschwung erfahren<br />

hatte. Innerhalb von nur einer Generation verwandelten sich die einst von Cattle<br />

Ranches geprägten Weiten in eine goldene Weizenlandschaft. „King Wheat“<br />

regierte von Oklahoma bis Colorado. Beschleunigt durch den Ersten Weltkrieg<br />

stieg der Bedarf an Weizen nicht nur im Einwandererland USA, sondern auch in<br />

Europa rasant an; die fruchtbare schwarze Erde der südlichen Prärie versprach<br />

Weizenernten, die weltweit ihresgleichen suchten. Hinzu kamen technologische<br />

Entwicklungen, wie Mähdrescher mit phänomenalen Schneidwerken von bis zu<br />

sieben Metern Breite. Um 1920 konnte ein Weizenfarmer einen bis zu zehn Mal<br />

höheren Profit einfahren als ein Rancher. Dafür musste er nicht einmal dauerhaft<br />

auf dem Land wohnen; als „suitcase farmer“ konnte er seinen Betrieb von der<br />

Stadt aus leiten und die Bewirtschaftung billigen Arbeitskräften übertragen. Der<br />

technologische Fortschritt und die Distanz der Farmer zur Scholle kostete ihren<br />

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