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Katastrophen machen Geschichte - oapen

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Reinhard Bodner<br />

Argumenten vorausgegangen sei; 33 und ähnlich registriert schon einer der ersten<br />

Zeitungsartikel, die von dem Ereignis berichten, ein reflexhaftes Moment: „Für<br />

viele […] ist schon jetzt der aktuelle Bergbau mitschuldig für [sic] die Katastrophe<br />

am Eiblschrofen“. 34<br />

Dabei aktualisierte sich in der Schuldzuweisung an den Bergbau eine längere<br />

Vorgeschichte: Die „Oberflächner“, wie die Bergbau-Anrainer 1892 in einer bergschadensrechtlichen<br />

Arbeit genannt werden, 35 hatten seit den 1970er-Jahren vermehrt<br />

gegen die obertägigen Nebenwirkungen des Bergbaus, gegen Lärm, Staub,<br />

Gestank und Lkw-Abgase, Klage geführt. In einer zweiten Phase des Konflikts<br />

wurde dieser Protest durch eine Reihe kritischer Stimmen zwar nicht völlig verdrängt,<br />

aber doch nachhaltig überlagert, die sich gegen den untertägigen Abbau<br />

wandten: 1993 hatten bergbauliche Sprengarbeiten in einer geologisch und tektonisch<br />

sensiblen Gesteinszone zur Entstehung einer bis zu 30 Meter tiefen Pinge<br />

sowie zu Schäden an mehreren Wohnhäusern geführt. Eine Bürgerinitiative erhob<br />

erstmals den Vorwurf des „Raubbaus“ und forderte den „sofortigen Abbaustopp“.<br />

36 Ein geologisches Gutachten, auf das sich die Protestierenden beriefen,<br />

warnte davor, dass ein 1993 eingestellter Abbautrichter unterhalb des<br />

Eiblschrofen „großräumig bis an den Tag durchbrechen“ und „zum Abstürzen<br />

auch großer Felsbereiche (Bergsturz)“ 37 führen könnte. Nachträglich wurde das<br />

Pingenereignis oft als Vorzeichen der Felsstürze bewertet, aus dem man nicht die<br />

richtigen Konsequenzen gezogen habe. 38 Nun aber sei, so die Bürgerinitiative und<br />

die Stadtgemeinde, eine Schließung des Bergwerks unumgänglich. Noch im Juli<br />

1999 ordnete die zuständige Montanbehörde zunächst Zugangsbeschränkungen<br />

und schließlich die vorläufige Schließung des Abbaus an. 39<br />

Zumal ein erwiesener „Zusammenhang von oben und unten“ Ansprüche auf<br />

Schadensersatz ermöglicht hätte, gaben die Gemeindeväter Gutachten in Auftrag,<br />

die anthropogene Ursachen erhärten sollten. Weil Gegengutachten aber vorwiegend<br />

die geologischen Gegebenheiten sowie heftige Regenfälle und tektonische<br />

Ereignisse an den Vortagen für das Ereignis verantwortlich machten, ist eine<br />

Schuld oder Mitschuld des Bergbaus bis heute weder völlig bewiesen noch ganz<br />

widerlegt. Zuletzt gestanden Meta-Gutachten lediglich zu, dass die Komplexität<br />

der Situation durch die mehr als dreitausendjährige Bergbaugeschichte noch vergrößert<br />

werde. Die Frage, ob der Bergbau die Felsstürze beeinflusst habe, wurde<br />

damit noch durch die Diskussion verkompliziert, um welchen Bergbau es sich<br />

handle: Wollte die Stadtgemeinde vor allem eine Schuld des Dolomitabbaus erhär-<br />

33 Tiroler Wirtschaft (Innsbruck), 13.07.2001.<br />

34 Tiroler Tageszeitung (Innsbruck), 15.07.1999.<br />

35 Frankl, O. (1892): Die Haftpflicht für Bergschäden nach österreichischem Rechte, Marcus: Bonn,<br />

S. 1.<br />

36 Vgl. dazu ausführlicher Bodner / Haider: Bergbau, S. 250-252.<br />

37 Hier zit. n. Bacher: Risiko, S. 89.<br />

38 Vgl. u.a. Tiroler Tageszeitung (Innsbruck), 13.07.1999.<br />

39 Die Presse (Wien), 22.07.1999.

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