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Katastrophen machen Geschichte - oapen

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Patrick Masius<br />

Zuge politischer Reformen und der Etablierung von Umweltpolitik als politischem<br />

Ressort diese Ansprüche bedingte Anerkennung. Heute werden – wenn auch in<br />

kleinem Maßstab – Flussbaumaßnahmen am Rhein zurückgenommen, Altarme<br />

wieder angebunden und Retentionsflächen geschaffen. 58 Die politischen und wissenschaftlichen<br />

Verantwortlichen für Flusskorrekturen und Waldpolitik im<br />

19. Jahrhundert können nun arglos belangt werden, ohne dass es aktuelle Regierungen<br />

stören könnte. Auf diese Weise wird die menschliche Verantwortung für<br />

Naturkatastrophen zeitversetzt in einer anderen Interessenskonstellation politisch<br />

anerkannt. Es darf nicht überraschen, dass politische Institutionen auch heute<br />

politische Verantwortung für Naturkatastrophen nur insofern übernehmen, als<br />

dass es sich um erfolgreich gelöste Probleme handelt (man denke an das Elbehochwasser<br />

2002). Bei allen anderen eingetretenen <strong>Katastrophen</strong> handelt es sich<br />

zwangsläufig um außergewöhnliche, extreme, unkontrollierbare, noch nie dagewesene<br />

Ereignisse, gegen die nichts zu <strong>machen</strong> war. Auflösungsversuche, die zwei<br />

Klassen von <strong>Katastrophen</strong> bilden (verhinderbare/nicht-verhinderbare), sollten<br />

nicht als heuristisches Allheilmittel gedeutet werden. Da sie in den Diskussionen<br />

um Naturkatastrophen eher eine marginale Position einnehmen, verstellen sie<br />

nämlich den Blick auf die tatsächlich vorhandene Diskrepanz, die den Umgang mit<br />

<strong>Katastrophen</strong> leitet. Diese wird bestimmt von lokalen Interessen und politischen<br />

Ansprüchen im weitesten Sinne und gilt bis heute. Die Feststellung von Hewitt,<br />

dass <strong>Katastrophen</strong>politik beständig durch das Interesse der dominanten Institutionen<br />

geleitet wird, findet sich auch im historischen Rückblick bestätigt. 59 Ob daraus<br />

jedoch Konsequenzen in Form einer Forderung nach politischem Wandel abgeleitet<br />

werden müssen, ist nach meinem Verständnis eine davon zunächst unabhängige<br />

Frage.<br />

Literatur<br />

Allemeyer, M. (2006): „Kein Land ohne Deich…!“ Lebenswelten einer<br />

Küstengesellschaft in der Frühen Neuzeit, Vandenhoeck & Ruprecht:<br />

Göttingen.<br />

Anonymus (1882/83): Was können wir gegen die Hochwasser thun?, Otto Lange:<br />

Berlin.<br />

Anonymus (1889): Die Abwehr von Ueberschwemmungsgefahren. In: Neueste<br />

Mittheilungen, Jg. 8, H. 16. (26.2.1889 Berlin), S. 1.<br />

Bergdolt, K. (2009): Seuchentheorie und Umwelt in der Frühen Neuzeit. In: Kreye,<br />

L. / Stührung, C. / Zwingelberg, T. (Hg.): Natur als Grenzerfahrung –<br />

58 Cioc, M. (2002): The Rhine. An eco-biography, Washington Univ. Press. Kap. 7<br />

59 Hewitt, K. (1983): The idea of calamity in a technocratic age. In: Hewitt, K. (Hg.): Interpretations<br />

of calamity, Allen & Unwin: London, S. 3-30.

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