Katastrophen machen Geschichte - oapen
Katastrophen machen Geschichte - oapen
Katastrophen machen Geschichte - oapen
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
10<br />
Patrick Masius, Jana Sprenger & Eva Mackowiak<br />
Patrick Masius arbeitet die Spannung zwischen Machbarkeitsanspruch und<br />
Ohnmachtbekenntnis gegenüber Naturkatastrophen im gesellschaftlichen Umgang<br />
mit Naturgefahren heraus. Schon in Mittelalter und Früher Neuzeit wurden praktische<br />
Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen ergriffen, um Gefahren vorzubeugen<br />
und <strong>Katastrophen</strong> zu bewältigen. Gleichzeitig konnte man sich auf den übermächtigen<br />
Charakter dieser Geschehnisse zurückziehen, um politische Verantwortung<br />
abzuwälzen. Kirche und weltliche Regierungen jonglierten mit dem Anspruch,<br />
Sicherheit und Glück für das Volk versprechen und andererseits keine Verantwortung<br />
für eingetretene <strong>Katastrophen</strong> zu übernehmen. Diese Konstellation ist in<br />
bezeichnender Kontinuität in der europäischen <strong>Geschichte</strong> nachzuweisen.<br />
Reinhard Bodner analysiert die Diskurse nach den Felssturzereignissen am<br />
Eiblschrofen im Tiroler Unterinntal im Jahre 1999. Widersprüchliche Gutachten<br />
lassen bis heute nicht entscheiden, ob die Felsstürze durch den Bergbau verursacht<br />
wurden, also anthropogener Art waren, oder auf geologische und meteorologische<br />
Gegebenheiten zurückzuführen sind. In dieser Diskussion, in der die Zukunft des<br />
örtlichen Bergbaus auf dem Spiel stand, findet Bodner drei unterschiedliche<br />
Naturnarrative: einen von der „rächenden Natur“, einen von der „Mensch-Natur-<br />
Symbiose“ und einen vom „Sieg über die Natur“. Diese werden mit<br />
kulturwissenschaftlichen Methoden untersucht und in einen größeren<br />
Zusammenhang gestellt.<br />
Die Beiträge zeugen von der facettenreichen Rolle, die Naturkatastrophen und<br />
Extremereignisse in der <strong>Geschichte</strong> gespielt haben. Sie lassen einerseits erkennen,<br />
dass menschliche Kontrolle über die Natur nie absolut sein kann und andererseits,<br />
dass die Idee von Natur selbst nur ein Moment in der europäischen<br />
Geistesgeschichte im Umgang mit Risiken ist. <strong>Katastrophen</strong> eröffnen unzählige<br />
Möglichkeiten privater und politischer Initiative und werden so häufig zum<br />
Katalysator von geschichtlichen Prozessen.<br />
Literatur<br />
Allemeyer, M. (2006): „Kein Land ohne Deich…!“ Lebenswelten einer<br />
Küstengesellschaft in der Frühen Neuzeit, Vandenhoeck & Ruprecht:<br />
Göttingen.<br />
Bankoff, G. (2003): Cultures of Disaster. Society and Natural Hazard in the<br />
Philippines, Routledge: London.<br />
Borst, A. (1981): Das Erdbeben von 1348. Ein Beitrag zur historischen<br />
<strong>Katastrophen</strong>forschung. In: Hist. Zeitschrift, Bd.233, S. 529-569.<br />
Brockhaus Enzyklopädie (1894), Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG:<br />
Mannheim. [14. Auflage/ 16 Bände]