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Katastrophen machen Geschichte - oapen

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Heuschreckenkalamitäten in Brandenburg<br />

2.2 Historische Orientierung<br />

Die Literatur berichtet für die Zeit vor dem 18. Jh. nur gelegentlich über Heuschreckenzüge<br />

nach Mitteleuropa, sie waren augenscheinlich selten und erfolgten<br />

auch nicht regelhaft. Dieser Befund befindet sich in Übereinstimmung mit den<br />

Kenntnissen über historische Klimaverhältnisse. 11<br />

Da die Heuschrecken zum alttestamentarischen Plagenrepertoir gehören, waren<br />

sie selbstverständlich den Landeskindern vertraut, selbst, wenn eigene Anschauung<br />

fehlen sollte. Die vorauseilende straftheologische Bewertung eines Heuschreckenauftretens<br />

ist daher immer auch mit zu denken. Dieses Vorverständnis<br />

beeinflusste vermutlich auch die Bewertung eines möglichen tatsächlichen Schadens,<br />

der vor dem religiösen Hintergrund dann subjektiv höher ausfallen könnte<br />

als ökonomisch gerechtfertigt, weil in dieser Bewertung der immaterielle Schaden<br />

des Betroffenen als subtextliche Hypothek nicht ausgeschlossen werden kann: Der<br />

Geschädigte sah sich als vom Schicksal ungerechtfertigt behandelt an.<br />

Mit Bezug zu Brandenburg setzten Mitteilungen spät ein. Coler (1566 – 1639), der<br />

mit den Verhältnissen in der Mark Brandenburg gut vertraut war und der sich in<br />

seiner Darstellung ohnehin hauptsächlich auf den deutschen Raum bezog, berichtete<br />

lediglich über einen Heuschreckenzug größeren Ausmaßes von 1542, „da ein<br />

grosser trefflicher Hauffe der großen Heuschrecken im Anfang deß Herbsts auß<br />

Lieffland herauß flogen, durch Polen und Schlesien, und kamen biß in Meissen,<br />

welche alles Graß, Kraut und Gesäme auff dem Feld abfrassen, und den Leuten<br />

grossen Schaden thaten.“ 12 Man wird mit gewisser Berechtigung annehmen müssen,<br />

dass Coler größere Heuschreckenkalamitäten zumindest seiner Lebzeiten für<br />

den Brandenburger Raum erwähnt hätte. 13 Er erweist sich zudem als unsicherer<br />

Zeuge, denn das von ihm angeführte Ursprungsgebiet ist wenig wahrscheinlich,<br />

hingegen ist die Erwähnung des Posener Raumes plausibel, sie findet sich für die<br />

Folgezeit häufiger. Aber Colers Heuschrecken fielen offenbar nicht in Brandenburg<br />

ein. Uns dient er hier als Hinweis, dass zumindest bis zur Mitte des 17. Jh.s<br />

die Heuschrecken in Brandenburg wie anderswo eine wegen ihrer Seltenheit untergeordnete<br />

Bedrohung darstellten.<br />

11 Glaser, R. (2001): Klimageschichte Mitteleuropas. Primus: Darmstadt; Pfister, C. (2008): Von der<br />

Hexenjagd zur Risikoprävention. Reaktionen auf Klimaveränderungen seit 1500. In: Lutz, P. / Macho,<br />

T. (Hg.): Das Wetter, der Mensch und sein Klima. Eine Ausstellung des Deutschen Hygiene-<br />

Museums Dresden, Wallstein, Göttingen, S. 56-61.<br />

12 Coler, J. (1680): Oeconomia ruralis et domestica, Darin das gantz Ampt…, Schönwetter: Frankfurt,<br />

Kap. 23, S. 168.<br />

13 Coler war u. a. Professor der Philosophie an der Viadrina in Frankfurt a.d.O. [NDB]. – Nach<br />

Lindner ist die Bibliographie zu Coler schwierig und damit das Entstehungsdatum der Textbeiträge<br />

einzelner seiner Ausgaben ungewiß. Im Grundsatz ändert sich dadurch an der hier getroffenen Aussage<br />

nichts, die sich auf das Göttinger Exemplar von 1680 bezieht, das nach Lindner mit den früheren<br />

Ausgaben von 1668 identisch ist.<br />

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